Englischsprachige Literatur

Harris Robert

Aurora

Heyne, München1998

Galbraith3

Robert Harris, inzwischen ein routinierter Autor historischer Romane, veröffentlichte diese Spionagegeschichte in der Tradition von John le Care´ neun Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Und er ist ein Meister darin, die Schäbigkeit und Aussichtslosigkeit in dieser postsowjetischen Gesellschaft zu beschreiben, noch dazu im eisigkalten russischen Winter.

Es geht um Stalin, dessen letzte Jahre sowie seinen Tod ,den der Autor gründlich, wie immer, recherchiert hat. Er mixt, auch wie immer, geschickt Wahrheit, Apokryphen und Fiktion.

Dazu erfindet er den abgetakelten amerikanischen Historiker Fluke (!) Kelso, der sich in die Suche nach einem angeblichen Tagebuch Stalins verwickeln lässt, als er an einem Historikerkongress in Moskau teilnimmt. Auch sein Leben ist so schäbig und freudlos wie die sowjetische Gesellschaft, in die er eintaucht.

Schließlich finden er und seine Helfer Stalins Sohn in der der Nähe von Archangelsk in der sibirischen Einsamkeit und müssen hilflos miterleben, wie er triumphierend nach Moskau zurückkehrt. Ein genauso grausamer, gewissenloser Mensch wie sein Vater. In dieser Geschichte betrügt jeder jeden, es gibt keinen Ausweg. Der Originaltitel des Romans ist übrigens “Archangel”, wohl eine Metapher für Stalin.

“Wir sind hier nicht in England oder Amerika, hier ist die Vergangenheit nicht tot und begraben. In Rußland trägt die Vergangenheit Rasiermesser und Handschellen.” (S. 189)

Im Gegensatz zu Deutschland, wo die Einstellung zu Hitlers Verbrechen äußerst negativ ist, wie Harris betont, ist in Russland die Stalinverehrung ungebrochen, und wenn man sich Putins Staat heute anschaut, sind auch die 66 000 Menschen, die Stalin hat umbringen lassen, ein Grund, auf sein Reich stolz zu sein.