Weite_Welt

Le Clezio J. M. G.

Revolutionen

Kiepenheuer&Witsch, Köln 2008

Ernestam2

Als Le Clezio 2008 den Literaturnobelpreis erhielt, war das für die nicht eingeweihte deutsche Lesergemeinde eine Überraschung, und flugs wurden Übersetzungen gedruckt, damit wir auch am reichen Oevre dieses französischen Schriftstellers, Jahrgang 1940, teilhaben können. Der Leseteufel brauchte noch ein Jahr, bis ihm dieser Familienroman in die Hände fiel, der als sein “anspruchsvollster, umfassendster und eindrucksvollster” (Buchrückseite) bezeichnet wird.

Le Clezio erzählt fast impressionistisch und sehr einfühlsam von der Kindheit seines Protagonisten Jean Marro, der sich von der unwirtlichen Realität in Nizza immer wieder zu seiner alten blinden Tante Catherine flüchtet, die ihm von früher erzählt, als ihre Familie noch auf Mauritius im Glück lebte, ehe sie, bankrott, nach Frankreich zurückkehren musste. Das Kapitel ist passend mit “eine geträumte Kindheit” überschrieben und der junge Jean zieht den Leser in seinen Bann.

Aber so geradlinig will Le Clezio nicht erzählen. Also tritt ein bretonischer Vorfahre als Ich-Erzähler hinzu, der sich 1792 den revolutionären Freiwilligen anschließt, dann aber, von der Revolution enttäuscht, mit seiner jungen Frau nach Mauritius auswandert und dort das Handelsimperium der Familie begründet. Dann begleiten wir, schon weniger bereitwillig, wieder Jean auf dem Weg zum Erwachsenwerden, der ihm dadurch erschwert wird, dass er sich treiben lässt und als einzigen Halt seine Familiensaga empfindet. Dazwischen Berichte über den Algerienkrieg, die Geschichte einer ehemaligen Sklavin, Jeans eher schale Liebesabenteuer, einen Aufenthalt in Mexico, um sich der Einberufung zum Algerienkrieg zu entziehen. Schließlich heiratet Jean eine Marokkanerin und macht seine Hochzeitsreise nach  ...?

Trotz aller erzählerischer Finessen ist alles doch nur eine Autobiografie, die ausschließlich um Jean = Le Clezio kreist.