Cartarescu Mircea
Die Wissenden
Mircea Cartarescu (Jg. 1956) ist Literaturdozent und Dichter, der 1996 mit “Die Wissenden” den ersten Teil einer Trilogie mit dem Titel “Orbitor” vorgelegt hat. Es ist ein sprachgewaltig-düsteres Werk, in dem Autobiographisches, Traumwelten, Visionen und die Schilderung der Stadt Bukarest ineinander übergehen. Die Leistung des Übersetzers Gerhardt Csejka erscheint mir der des Autors ebenbürtig und wurde zu Recht von Österreich gefördert.
Der Leseteufel durchlebte bei der Lektüre dieses monströsen Werkes mehrere Stadien. Als erstes war er ergriffen von der Wortgewalt und Bildkraft dieses Dichters, wollte sich am liebsten jede Formulierung merken, so einzigartig erschien sie: ”Tief hineingewölbt ins riesige Fenster wirkte das Gelbe des Zimmers noch gelber, ich aber, ein spindeldürrer, kränklicher Junge, saß ... im schäbigen Schlafanzug.... und starrte mein Abbild im klaren Fensterglas an.” (S. 9) Und in die fiebrige Fantasiewelt dieses Jungen taucht der Leser bereitwillig ein.
Er verfolgt die Flucht der Vorfahren aus Bulgarien und erlebt die Jugend von Maria, Mirceas Mutter, als kleine Näherin in Budapest. Allmählich überzieht die suggestiven Schilderungen jedoch ein ekliger Schleim aus Körperflüssigkeiten und Gebrechen, wuchernder Gehirnsubstanz und ebensolcher Geschlechtsteile. “Wie dieses Beinhaus betreten? Und wozu überhaupt? Welche Stoffmaske, was für Chirurgenhandschuhe böten sicheren Schutz vor der Infektion, die von der Erinnerung ausgeht?” (S.20)
Es stellt sich Leseermüdung und Ekel ein. Auch scheinen sich die explosiven Wortschöpfungen in variierender Weise zu wiederholen. Eine gewisse Selbstverliebtheit des Autors kommt hinzu, so dass diese übersteigerte Seelenqual allzu krankhafte Züge annimmt.
Schließlich legt der Leseteufel das Buch nach der Hälfte erschöpft zur Seite.