Englischsprachige Literatur

Harris Oliver

London Killing

Blessing, München 2012

Galbraith3

Oliver Harris, Jg 1978, studierte Englische Literatur und schreibt gerade seine Doktorarbeit. Nach diesem Debut kann er sich locker auf eine erfolgreiche Schriftstellerkarriere konzentrieren, denn dieser Thriller ist brillant. Der Originaltitel “The Hollow Man” trifft die Handlung viel besser als der nichts sagende deutsche, “Der Schattenmann” wäre passender gewesen, existiert aber vermutlich schon.

Harris hat seine literarischen Vorfahren genau studiert, insbesondere Chandler, aber es gelingt ihm, einen ganz eigenen, schnoddrigen und gleichzeitig anspruchsvollen Stil zu finden. Sein Antiheld Detective Nick Belsey, von Spielschulden und Alkoholproblemen geplagt, von Disziplinarmaßnahmen oder gar dem Rauswurf aus der Behörde bedroht, findet in einer leerstehenden prunkvollen Villa im reichen Hampstead in London eine Leiche. Er meldet sie anonym und nistet sich in dem Haus ein, da er seine Wohnung verloren hat und von Gläubigern verfolgt wird.

Die Leiche wird als die des russischen Oligarchen Alexei Devereux identifiziert, der Fall Belsey aus bekannten Gründen entzogen. Aber er mischt munter mit und die Behörden auf, gerade noch am Rande der Legalität. Mit seinen frechen Sprüchen und unorthodoxen Methoden gewinnt er das Vertrauen der Journalistin Charlotte, eine recht entwicklungsfähige Beziehung für Fortsetzungen.

Harris baut einen immensen Spannungsbogen auf, verwickelt alle Mitspieler in ein vertracktes Netz aus Lügen und Korruption. Es geht um einen Profikiller, das ganz große Geld, um einen Spielhallenkomplex von gigantischen Ausmaßen und um fast größenwahnsinnigen Betrug, bei dem der kleine Belsey auch mitspielen möchte.

Der showdown findet im Flughafen Stansted statt, angereichert um wildgewordene Rennpferde, also schon slapstickhaft und ein wenig antiklimaktisch. Belsey feiert sein Überleben mit einem ausgedehnten Zug durch seine Stammkneipen. Ein rasantes Lesevergnügen, noch besser sicher im Original.