Englischsprachige Literatur

Joyce Rachel

Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry

Krüger/Fischer, Frankfurt 2012

Galbraith3

Dies ist zwar der erste Roman von Rachel Joyce, aber sie ist erfahrene Radio- und TV-Autorin. Sie sagt von sich selbst, sie habe ihr “Herz in das Buch gelegt”, und das merkt der Leseteufel ihm an. Von Beginn an fühlt er mit diesem unbeholfenen Harold, der, inzwischen in Rente, weder Glück in seiner Kindheit, noch im Beruf, noch in seiner Ehe oder als Vater hatte. Die einzige Person, die je mit ihm gefühlt hat, jedenfalls empfindet er das inzwischen so, ist Sweenie, eine frühere Mitarbeiterin, die im schottischen Berwick im Sterben liegt und ihm einen Brief geschickt hat.

Er geht mit seinem Antwortschreiben zum Briefkasten in seinem Heimatort Kingsbridge an der Südküste, und hört nicht auf zu gehen, bis er nach 1000km und 87 Tagen in Berwick ankommt und die vom Krebs grausam verunstaltete Sweenie sieht.

Der literarische Topos der Reise, auf der der Pilger zu sich selbst findet, ist nicht eben neu. J.P. Hebel hat so eine Geschichte geschrieben, der unsägliche Hape Kerkeling auch, um nur ein paar zu nennen.

Im Laufe seiner Pilgerreise erfahren wir Leser immer mehr über Harolds kleines, unglückliches Leben. Sein Sohn hat sich ihm entfremdet und sich als Drogenabhängiger umgebracht, sein Verhältnis zu seiner Frau Maureen ist im Schweigen erstarrt. Je weiter er sich von ihr entfernt, desto mehr erkennt er, wie sehr er sie eigentlich liebt. Auch sie denkt wie Harold nach anfänglichem Groll neu über ihre Beziehung nach. Wie in einem road movie begegnet Harold den unterschiedlichsten Menschen mit immer gleicher, geduldiger Freundlichkeit: “Harold versprach, wachsam zu sein, obwohl er inzwischen auf den guten Kern vertraute, der in jedem steckte.” (S. 238)

Für einige Zeit werden er und seine Pilgerreise zu Sweenie zu einer Medienberühmtheit und er muss mit einer ganzen Gruppe angeblich Gleichgesinnter weiter wandern. Am Ende kommt er völlig abgerissen, als körperliches Wrack in Berwick an, wo ihn schließlich seine Frau erwartet und rettet. Und alles, alles wird gut.