Grundzüge des BtMG

 

Grundzüge des Betäubungsmittelrechts

 

von Jupp Joachimski, Vorsitzender Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht a. D.

 

    Vorbemerkung und Inhaltsübersicht

Die strafrechtliche Prüfung eines das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) tangierenden Falles vollzieht sich - abweichend von der im allgemeinen Strafrecht üblichen Prüfungsreihenfolge - nach folgendem Schema:

                  

I.  Ist  der sachliche Geltungsbereich des Gesetzes betroffen?            - vgl. dazu A

II.Liegt Erlaubnispflicht vor oder unterfällt die den Kern des Geschehens 
bildende Handlung einer Ausnahmeregelung?                                        Vgl. dazu B 

III.Subsumtion unter die Strafvorschriften des Gesetzes (vgl. hierzu C). . Sie sind gegliedert in:

A. Der sachliche Geltungsbereich des Gesetzes

Die Legaldefinition für Betäubungsmittel findet sich in § 1 Abs. 1. Der Begriff des Stoffes ist in § 2 Abs. 1 Nr. 1, der Begriff der Zubereitung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 BtMG definiert.  Die dem BtMG unterfallenden Stoffe sind in den Anlagen I - III katalogmäßig aufgeführt.  Andere Stoffe können zwar gemäß § 1 Abs. 2 BtMG gleichgestellt werden, sind jedoch vor dieser Gleichstellung in verwaltungsrechtlicher und strafrechtlicher Hinsicht auch dann nicht als Betäubungsmittel zu behandeln, wenn sie die Voraussetzungen des  § 1 Abs. 2 BtMG erfüllen.

Die Anlagen I - III zu § 1 Abs. 1 BtMG sind gegliedert nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Betäubungsmittel.  Die Anlage I erfaßt all diejenigen Betäubungsmittel, denen keinerlei wirtschaftliche oder medizinische Bedeutung zukommt.  Hier finden sich die meisten bekannten Suchtgifte, wie Marihuana, Haschisch, Mescalin, Heroin und LSD.  Zu beachten ist, dass entgegen dem früheren Rechtszustand seit Inkrafttreten der 10.Betäubungsmittel-ÄndVO vom 20.1.1998 (BGBl. I, 74) auch Pflanzen und Pflanzenteile, die unbearbeitet Betäubungsmittel enthalten, unter die Bestimmungen des Gesetz fallen. In der Anlage II sind die verkehrsfähigen, jedoch nicht verschreibungsfähigen Betäubungsmittel enthalten.  Es handelt sich um Stoffe und Zubereitungen, die zur Herstellung von medizinisch bedeutsamen Betäubungsmitteln verwendet werden, selbst jedoch vom Arzt nicht verschrieben werden dürfen. 

Die in der Anlage III bezeichneten Betäubungsmittel können vom Arzt verschrieben werden, wobei allerdings § 13 BtMG und die Vorschriften der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtmVV) zu beachten sind.  Hier finden sich die wichtigsten barbiturathaltigen Schlafmittel, außerdem Kokain, Morphin und Opium.

Aus der Vielzahl der Betäubungsmittel sollen beispielhaft einige der wichtigsten herausgegriffen werden.

Cannabisprodukte gehen auf die Hanfpflanze zurück.. Zur Reifezeit scheidet die weibliche Hanfpflanze ein Harz aus, das eine Reihe von psyochtropen Wirkstoffen enthält.  Die Pflanzen- bzw.  Blütenteile der weiblichen Hanfpflanze kommen als Marihuana mit einem Harzgehalt von ca. zwei Prozent auf den Markt.  Das wichtigste dieser Harze ist das Tetrahydrocannabinol, abgekürzt THC, dessen Gehalt als Gradmesser für die Qualität des Betäubungsmittels gilt.

Der THC-Gehalt von durchschnittlichem Marihuana liegt bei einem Prozent.  Marihuana hat das Aussehen von Kraut oder Tee, ist grün bis dunkelbraun und riecht kräftig.  Durch mechanische Anreicherung des Harzgehaltes entsteht Haschisch.  Das Harz wird von den Pflanzenteilen abgestreift, getrocknet, pulverisiert und zusammengebacken.  Auf den Markt kommt Haschisch nah- bis fernöstlicher Provenienzen in der Regel in Plattenform.  Die Platten sind meist von einer Leinenhülle umgeben, die auch noch Stempel des Herstellers tragen kann.  Haschisch aus Marokko wird ohne den letzten Herstellungsgang produziert. Es kommt pulverisiert auf den Markt. Der Anbau von Hanf mit niedrigem Wirkstoffgehalt ist zulässig seit April 1996. Auch der Umgang mit sog. “Knasterhanf”, d.h. Hanf mit einem äußerst niedrigen THC-Gehalt, fällt unter das BtMG(BayObLG, U vom 25.2.2002 - 4St RR 80/02).

Je nach der Herkunft des Betäubungsmittels, seinem Aussehen und seinem Harzgehalt werden folgende Qualitäten unterschieden:

    "grüner Türke" = dunkelgrünes bis grünbraunes Haschisch aus der Türkei mit einem Harzgehalt von etwa vier Prozent;

    "roter Liban" = mittelbraunes bis rotbraunes Haschisch aus dem Libanon mit einem Harzgehalt von ca. acht bis zwölf Prozent;

    "schwarzer Afghane" bezeichnet sehr stark wirkstoffhaltiges Haschisch aus Afghanistan oder Pakistan, dessen Farbe von dunkelbraun bis schwarz reichen kann.  Eine Besonderheit ist die "Schimmelafghan"-Qualität.  Durch Befall von Schimmel wird die Wirkungsweise noch verstärkt.  Spitzenqualitäten erreichen eine Harzgehalt bis zu 35 Prozent.Der Harzgehalt kann im Lösungsweg noch erhöht werden durch Herauslösen des Harzes mittels Äther, Benzin.  Anschließend lässt man das Lösungsmittel verdampfen und erhält Haschischöl, ein zähflüssiges, kräftig riechendes dunkelbraunes Öl mit einem Harzgehalt bis zu 90 Prozent.

Die Cannabisprodukte werden regelmäßig geraucht.  Aus Marihuana dreht man sich wie mit Tabak Zigaretten oder raucht es in der Pfeife.  Sehr häufig wird Marihuana auch wie Tee gekocht.  Haschisch wird dem Tabak beigemischt und geraucht.  Haschischöl wird regelmäßig auf Zigaretten oder auf Tabak getropft.  Auch andere Einnahmeformen sind bekannt, z.B. die Verarbeitung mit Milch.

Die Cannabisprodukte vereinigen in sich mehrere Wirkungsformen.  Am bekanntesten ist der halluzinative Effekt, der auch bei LSD besonders hervorsticht.  Der Konsument glaubt, schärfer wahrnehmen zu können.  Es werden ihm Trugbilder vergegaukelt.  Außerdem haben die Cannabisprodukte eine leichte euphorische Wirkung, d.h. sie verschaffen ein Wohlgefühl und eine starke sedierende Komponente, machen also müde.

Mohnderivate

Die Schlafmohn- wie auch die Ziermohnpflanze, welche in weiten Teilen Deutschlands als Gartenpflanze gebräuchlich ist, entwickeln zur Reifezeit eine stark wirkstoffhaltige Milch. Üblicherweise wird in den Ländern des Fernen und Nahen Ostens kurz vor der Reife die Blütendolde angeritzt.  Dann tritt die Milch aus und trocknet an der Luft zu einer braunen, klebrigen Masse.  Nach einem weiteren Trocknungsvorgang wird die Masse geknetet zu Opiumbroten.

Opium wird vorwiegend im Fernen Osten als Betäubungsmittel geraucht.  Es gelangt nur noch selten zum Import nach Deutschland.  Häufiger wird Opium noch im Ursprungsland zu Rohmorphin verarbeitet, auch als Morphinbase bekannt. Morphinbase ist an sich farblos, jedoch durch Verunreinigung meist beige bis rötlich.  Nach der Aufbereitung und Reinigung entsteht aus Morphinbase Morphin, das medizinisch Verwendung findet.  In einem chemisch aufwendigen Prozeß reagiert Morphinbase mit Essigsäureanhydrid zu Diamorphin bzw.  Heroin.  Heroin gilt gegenwärtig als das stärkste Suchtgift.  Es ist an sich farblos, häufig jedoch beige und kommt im wesentlichen in zwei Darreichungsformen auf den Markt, nämlich als H3 (Hongkong-Rocks) mit einem Heroinanteil von 40 Prozent bis 60 Prozent und als H4 mit einem Heroinanteil bis zu 80 Prozent.  Vom Labor bis zum Endverbraucher wird allerdings Heroin regelmäßig auf ca 10 Prozent heruntergestreckt.  Streckmittel sind Milchzucker und Strychnin, welches kreislaufstabilisierend wirkt und nur etwa halb so giftig ist wie Heroin selbst.  Heroin riecht meist schwach nach Essigsäure.

Die Mohnderivate lösen zu Beginn des Konsums eine starke euphorische Wirkung aus.  Später werden sie nur noch eingenommen, um die durch das Absetzen der Drogen verursachte körperliche Mißbehagen zu dämpfen.  Mohn wird geraucht.  Morphinbase wird häufig mit Essigsäure zusammen aufgekocht und als "Berliner-Tinke" gespritzt.

Heroin wird regelmäßig durch Erwärmen verflüssigt und gespritzt.  Auch Einbringen durch Nasenschleimhaut ist bekannt geworden.

Kokain: Aus der Kokapflanze wird vorwiegend in Kolumbien das weiße geruch- und geschmacklose Pulver Kokain gewonnen. Kokain kann sowohl geschnupft wie auch gespritzt werden.  Die Einnahme durch Schnupfen führt zu einer Belastung der Nasenschleimhäute, die letztlich in einer Durchlöcherung der Nasenscheidewand enden kann.  Kokain wirkt aufputschend und momentan leistungssteigernd.  Nach Beendigung der Drogenwirkung stellt sich ein entsprechender Leistungsabfall ein, der wiederum nur durch erneuten Drogenkonsum aufgehoben werden kann.

LSD  ist ein halbsynthetisches Betäubungsmittel.  Es wird gewonnen aus dem Mutterkornpilz, der das Getreide befällt.  LSD wirkt in unvorstellbar geringen Mengen im Mikrogrammbereich.  Es wird in wässriger Lösung hergestellt und auf Pillen, Tabletten und Löschpapier aufgetropft und kommt in allen möglichen Darreichungsformen auf den Markt.

Amphetamine: Der Begriff kennzeichnet eine weitgefächerte Gruppe von synthetischen, vorwiegend im Inland oder den Niederlanden hergestellten Betäubungsmitteln, die regelmäßig in der Form von Tabletten oder Pillen auf den Markt kommen. In jüngerer Zeit am bekanntesten ist Ecstasy, das unter dem wissenschaftlichen Namen Methylendioxyethylamphetamin in die Anlage I zu § 1 BtMG aufgenommen ist. Die Ampheatmine wirken stimulierend auf das Zentralnervensystem und unterdrücken das Schlafbedürfnis. Abhängigkeitsfolgen sind Schlafstörungen, Unrast, Kreislaufzusammenbrüche.

Sämtlichen Betäubungsmitteln ist gemeinsam, dass sie Abhängigkeit hervorrufen.  Die Weltgesundheitsorganisation definiert Abhängigkeit wie folgt:

    “Psychischer und zuweilen auch physischer Zustand, der sich aus der Wechselwirkung zwischen einem lebenden Organismus und einer Droge ergibt und sich äußert im Verhalten und in anderen Reaktionen, die stets den Zwang einschließen, die Droge dauernd oder in Abständen zu nehmen, um deren psychische Wirkungen zu erleben und das durch ihr Fehlen mitunter auftretende Unbehagen zu vermeiden.  Toleranz kann, muss aber nicht vorliegen.  Eine Person kann von mehr als einer Droge abhängig sein."

Im Sinne dieser Definition verursachen Kokain und die Cannabisprodukte eine psychische Abhängigkeit, schaffen also das Verlangen, die Droge immer wieder zu nehmen.  Der Konsum von Cannabisprodukten führt insbesondere bei Jugendlichen dazu, dass der Antrieb im sozialen und beruflichen Bereich nachlässt und der Konsument zum “Aussteiger" wird.  Die Leberbelastung durch einen Haschischjoint entspricht derjenigen von ca. 120 gr. reinem Alkohol, also ca. 20 Gläsern Weinbrand.  Cannabiskonsumenten unterliegen statistisch einem deutlich höheren Risiko von Unfällen im häuslichen oder Straßenverkehrsbereich.

Die Schlafmohnderivate schaffen eine echte körperliche Abhängigkeit bereits nach wenigen Konsumportionen.  Es ist nach dem gegenwärtigen stand der Wissenschaft noch nicht absehbar, ob diese Abhängigkeit jemals wieder beseitigt werden kann.  Bei Absetzen der Droge zeigen sich körperliche Reaktionen wie Zittern, Schweißausbrüche, Übelkeit, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und Bauchschmerzen.  Dieser Zustand hält im akuten Bereich ca. zwei Wochen als Nachwirkung noch mindestens ein Jahr an.  Auch nach Beendigung der körperlichen Entzugserscheinungen besteht noch eine starke psychische Abhängigkeit.

Das Hervorrufen einer Abhängigkeit ist auch die wichtigste Voraussetzung für die Rechtsverordnung erfolgende Gleichstellung anderer Stoffe, die bisher nicht im Betäubungsmittelgesetz genannt sind.  Damit kann der sachliche Geltungsbereich des Gesetzes erweitert werden.Für eine derartige Möglichkeit besteht ein erhebliches Bedürfnis, da die Zahl der Betäubungsmittel sich ständig vergrößert und etwa alle zwei Monate mit einem neuen Stoff gerechnet werden kann.

B. Erlaubnispflicht

I. Erlaubnis und Ausnahme

Die Vorschriften der §§ 3,4 BtMG folgen dem Grundsatz des deutschen Nebenstrafrechts, dass jedwede Handlung grundsätzlich legal sein kann, vorausgesetzt, es liegt eine entsprechende Erlaubnis vor. Strafrechtlich gesehen wirkt die Erlaubnis als Rechtfertigungsgrund.

Nach § 3 BtMG ist nahezu jeder Vorgang mit und um Betäubungsmittel erlaubnispflichtig. Einzig ausgenommen ist der bloße Konsum des Betäubungsmittels, vorausgesetzt, dem Konsum ist kein Besitzerwerb vorausgegangen, was wegen der Definition der Gewahrsamserlangung (tatsächliche Verfügungsbefugnis nach Lage des Einzelfalles) möglich sein kann.

Die Erlaubnis selbst wird auf Antrag vom Bundesinstitut für Medizin und Arzneimittel erteilt. Voraussetzungen hierfür sind ein anerkennenswertes Bedürfnis zum Umgang mit Betäubungsmitteln, z.B. zu beruflichen Zwecken sowie die erforderliche Sachkunde gemäß § 5 BtMG.  Bei den Erlaubnisinhabern handelt sich vorwiegend um Pharmahersteller und Großhändler.  Nur, wenn es sich um Betäubungsmittel der Anlage II oder III handelt, ist zu prüfen, ob eine Erlaubnis vorliegt.  Für den Umgang mit Betäubunsmitteln in der Anlage I wird eine Erlaubnis nur ausnahmsweise gewährt (§ 3 Abs. 2 BtMG).

Von zahlreichen Ausnahmen von der Erlaubnispflicht des § 4 BtMG seien die wichtigsten hervorgehoben: § 4 Abs. 1 Nr. 3 a BtMG befreit den Arzt, der befugtermaßen Betäubungssmittel verschreibt, den Apotheker, der die Verschreibung beliefert und den Patienten, der aufgrund der Verschreibung in der Apotheke erwirbt, von der der Erlaubnispflicht.

Für den Arzt ist für die Befreiung Voraussetzung, dass er die Vorschriften des § 13 BtMG und die Vorschriften der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung beachtet.

Nach § 13 BtMG ist eine Verschreibung nur dann zulässig, wenn sie medizinisch begründet ist.  Die medizinische Begründung richtet sich nicht mehr nur nach der Schulmedizin; ein Experimentieren mit Betäubungsmitteln ist zwar nicht erlaubt, doch ist nach § 13 Abs. 1 die Anwendung von Methadon (Polamidon) und Codein bei Suchtkranken zur Behandlung der Abhängigkeit im Rahmen einer Überbrückungstherapie (z.B. bis zum Antritt einer stationären Entzugstherapie) zulässig.  Allerdings dürfen Betäubungsmittel nicht im Rahmen einer ambulanten Entzugstherapie verschrieben werden (BGH NJW 79, 1943).  Der Arzt muss den Patienten vorher untersuchen.  Er muss prüfen, ob andere Mittel, die weniger einschneidend sind, zur Verfügung stehen.

Für den Patienten ist eine Befreiung von der Erlaubnispflicht nur dann gegeben, wenn er den Arzt nicht etwa getäuscht hat.  Hat er ihn getäuscht, dann erwirbt der Patient ohne Erlaubnis.

Für den Apotheker ist eine Ausnahme von der Erlaubnispflicht nur dann gegeben, wenn eine wirksame ärztliche Verschreibung vorliegt.  Voraussetzungen hierf-ür ist, dass Mindestformerfordernisse der  §§ 5, 6 Betäubungsmittelverschreibungsverordnung beachtet sind.

Im Reiseverkehr bringt § 4 Abs. 1 Nr. 4 b BtMG eine Ausnahme von der Erlaubnispflicht.  Voraussetzungen dafür ist jedoch, dass der Reisende die ärztliche Verschreibung zumindest glaubhaft macht und dass sich die mitgeführten Mengen im Rahmen des  § 2 Betäubungsmittelverschreibungsordnung halten.

II. Untergrundarbeit der Strafverfolgungsbehörden

Für die Strafverfolgung am bedeutsamsten ist die Ausnahme des § 4 Abs. 2 BtMG.  Die Vorschrift stellt klar, dass das Betäubungsmittelgesetz auf Handlungen zu Strafverfolgungszwecken keine Anwendung findet.  Der Ankauf von Betäubungsmitteln zur Überführung von Straftätern durch Polizeibeamte oder zivile Hilfspersonen (Lockspitzel) ebenso wie der Scheinverkauf oder die Scheineinfuhr bedürfen daher keiner Erlaubnis.

Bei Anwendung dieser Ermittlungsmethoden können sich für die Problemstellungen folgende Lösungen ergeben:

a. Strafbarkeit des Verdeckten Ermittlers oder V-Manns wegen

täterschaftlichen Delikts nach dem BtMG: § 4 Abs.2

Anstiftung des Haupttäters (agent-provocateur-Problem): Zur strafbaren Anstiftung gehört es auch, dass der Anstifter den wirtschaftlichen Erfolg der Haupttat will.

b. Strafbarkeit des Haupttäters bei Überschreitung der Grenzen staatlicher Verbrechensprovokation: Bestand vor der Verbrechensprovokation kein Anfangsverdacht gegen den Angestifteten, dann sind die Grenzen staatlicher Verbrechensprovokation überschritten, wenn sich die Straftat nicht mehr als "eigengesteuerte" Handlung des Haupttäters, sondern nur mehr als "fremdgesteuerte" Tätigkeit darstellt.  Dies ist anhand von Indizien (Eigeninteresse des Anstifters, Schwäche des Angestifteten und seine Bereitschaft zur Tatbegehung) zu prüfen. Sind die Grenzen überschritten so entsteht zwar kein Strafverfolgungshindernis, aber ein Strafzumessungsgrund eigener Art, dessen Auswirkungen sich sogar an § 31 orientieren können.

c. Prozessuale Fragen:

Verwertbarkeit der Aussage der V-P im Hinblick auf § 136a StPO
Erreichbarkeit des Beweismittels im Sinne des § 244 Abs. 3 StPO
Sperrerklärung der obersten Dienstbehörde analog § 96 StPO
Einschränkung der  Aussagegenehmigung des VP-Führers

d. Verdeckter Ermittler:
Dieses Rechtsinstitut ist insbesondere zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität eingeführt und in  §§ 110a ff StPO verankert worden.  Der VE geht einer auf Dauer angelegten Tätigkeit (vgl.§ 110a Abs.2 S.1 StPO) nach.  Abgesehen vom Wohnungsbetretungsrecht des § 110c StPO hat er die gleichen Befugnisse wie alle anderen Beamten der Strafverfolgungsbehörden, insbesondere also diejenigen eines Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft. Die Rechtslage beim nur gelegentlich auftretenden Scheinaufkäufer (NOEB) und beim V-Mann bleibt von diesen Vorschriften unberührt; die dort auftretenden Fragen sind für den VE entsprechend zu lösen.

C. Strafvorschriften

1. Grunddelikte des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG

    Innerhalb des § 29 Abs. 1 BtMG besteht Subsidiarität der nachfolgenden gegenüber den vorangehenden Vorschriften.  So ist z.B. derjenige, der eine Verschreibung erschleicht und sie auch beliefert erhält, nur nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG (unerlaubter Erwerb) strafbar, nicht auch wegen § 29 Abs. 1 Nr. 9 BtMG.  Eine Ausnahme bilden die Privilegierungsnormen der Nrn. 6a und 7, die anderen Strafvorschriften vorgehen.  Zu beachten ist auch, dass die sog.  Auffangvorschriften (Sonstiges-Inverkehrbingen, Sonstiges-Sichverschaffen, Besitz) regelmäßig hinter die anderen Delikte des § 29 Abs.1 zurücktreten.

    Auch innerhalb des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG gilt der Grundsatz der Subsidiarität, allerdings in zwei Ketten.  Die erste, die sogenannte Entäußerungskette, hält die Reihenfolge Handeltreiben, Veräußerung, Abgabe und sonstiges Inverkehrbringen und Ausfuhr ein.  Die zweite Kette, die sogenannte Beschaffungskette, bringt Subsidiarität in der Reihenfolge Handeltreiben, Einfuhr, Herstellung, Anbau, Erwerb, Sich-in-sonstiger-Weise verschaffen und von (Nummer 3) Besitz.

    1.Handeltreiben ist jede eigennützige auf Umsatz gerichtete Tätigkeit.  Hierzu zählt natürlich der Verkauf in Gewinnerzielungsabsicht, aber auch schon der Ankauf zum Zwecke des eigennützigen Weiterverkaufs.  Beim Anbieten ist nicht erforderlich, dass die Betäubungsmittel zur Stelle sind, ja, dass es sie überhaupt gibt.  Handeltreiben wird von der Rechtsprechung als "Übertatbestand" angesehen:

    Die Tatbestände des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG enthalten einander gleichwertige Begehungsformen.  Sie können sich bei Gesamtvorsatz decken oder überschneiden, ohne dass sich deshalb die Frage nach Tateinheit, Tatmehrheit oder Gesetzeskonkurrenz zu stellen braucht.  Wie der Erwerb, so können auch die Ein- oder Ausfuhr unselbständige, im Handeltreiben aufgehende Teilstücke eines Gesamtgeschehens sein" (BGHSt 25, 290).

    Zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmales "Handeltreiben" genügt auch schon der Abschluß des rein schuldrechtlichen Vertrages.  Der Begriff  Eigennutz wird weit gefaßt, auch jeder nichtwirtschaftliche Vorteil kann Gegenstand des Eigennutzes sein.

    Weges des sehr weit gespannten Tatbestands sind Versuchshandlungen kaum möglich.  Die Rechtsprechung sieht bisher die Vollendung auch darin, dass der Täter beim Einkauf des zum Weiterverkauf bestimmten Rauschgifts einen einen potentiellen Lieferanten anspricht. Der 3.Strafsenat des BGH wollte diesen Anwendungsbereich des Tatbestandes deutlich einschränken und vollendetes Handeltreiben nur noch dann bejahen, wenn schon ernsthafte Verhandlungen im Gange sind  (vgl. NStZ 2004, 105 mit kritischer Anmerkung Weber NStZ 2004, 66). Mittlerweile hat der Große Senat für Strafsachen die Auffassung des 3.Strafsenats verworfen (Beschluss vom 26.10.2005 - GSt 1/05).

    Für die Mittäterschaft ist anhand der allgemeinen Abgrenzungskriterien zu prüfen, ob der Tatbeitrag als bloße Forderung fremden Tuns oder als eigene, vom Täterwillen getragene Handlung erscheint.  Dafür können Anhaltspunkte des konkreten Einzelfalles, z.B. der Grad des Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder doch zumindest der Wille zur Tatherrschaft herangezogen werden.  Der Eigennutz ist Tatbestandsmerkmal, kann also nicht zur Strafzumessung herangezogen werden.

    2.Ausfuhr ist das Verbringen oder Verbringenlassen von Waren aus dem deutschen Hoheitsgebiet. Der Versuch der Ausfuhr beginnt bereits bei der Einlegung von Betäubungsmitteln in Schmugglerverstecke im Inland.

    3.Veräußerung ist die entgeltliche Verschaffung der tatsächlichen Sachherrschaft an einen anderen, ohne dass der Täter eigennützig handelt.  Dieser sehr seltene Fall betrifft regelmäßig nur den Verkauf auf fremde Rechnung oder den Weiterverkauf von Drogen zum Einstandspreis.

    4.Abgabe ist die unentgeltliche Übertragung der tatsächlichen Sachherrschaft an einen anderen. Notwendig ist, dass dieser die Sachherrschaft in einer Weise erlangt, die es ihm erlaubt, unbeschadet des Eingriffs des Vorbesitzers über die Sache zu verfügen.  Daran fehlt es regelmäßig bei Gewährung des Mitgenusses, so dass die Einräumung des Mitgenusses in § 29 Abs. 1 Nr. 6 b BtMG eigens unter Strafe gestellt werden musste.  Die Abgabe betrifft den sehr häufigen Fall des Verschenkens von Betäubungsmitteln.

    Hinweis zur Sachherrschaft:

    Eine praktikable Möglichkeit zur Hilfsprüfung liegt darin, sich zu fragen, ob der Empfänger der Droge den Umständen des konkreten Falles nach in der Lage wäre, diese zu verkaufen oder ob er durch äußere Umstände, z.B. die Anwesenheit des eigentlichen Gewahrsamsinhabers daran gehindert wäre.  Diese Hilfsprüfung macht auch klar, warum man an bereits konsumierten Drogen keine Sachherrschaft mehr hat.

    5.In-Verkehrbringen" stellt einen Auffangtatbestand dar. Das Inverkehrbringen wird durch jede Handlung erfüllt, durch die ein anderer den Zugriff auf Betäubungsmittel erlangt. Durch die Einfügung dieses Auffangtatbestandes sollte sichergestellt werden, dass keine wie auch immer geartete Entäußerungshandlung straflos bleibt.  Hierzu zählen nahezu alle Fahrlässigkeitsfälle bei der Entäußerung.  Zur Erfüllung des Tatbestandes wird nicht vorausgesetzt, dass eine zielgerichtete Übergabe erfolgt.

    Der Tatbestand greift z.B. ein, wenn ein Apotheker des Betäubungsmittelschrank fahrlässig offen lässt und sich ein Drogenabhängiger unbefugterweise bedient.  Soweit der der Apotheker selbst aus seiner Apotheke gegen eine Verschreibung willentlich abgibt ist gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 4 BtMG die Tat nur bei vorsätzlicher Handlung strafbar.  Die Privilegierung reicht jedoch nur, soweit der Tatbestand des  § 29 Abs. 1 Nr 7 BtMG reicht.  Sie gilt nicht für die fahrlässige Umsatzauslösung.

    Wegen des Tatbestandes des Inverkehrbringens kann im Einzelfall auch der in der Strafverfolgung eingesetzte Beamte strafbar sein. Überlässt er z.B. dem zu überführenden Täter zum Zwecke der Vertrauensbildung eine kleine Menge Drogen, so ist dies grundsätzlich noch nach § 4 Abs. 2 BtMG erlaubnisbefreit.  Wenn jedoch der Empfänger des Rauschgifts dieses an einen Dritten weitergibt, hat der Beamte in der Person des zu überführenden Täters einen Umsatz ausgelöst, für den er nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG unter dem Tatbestandsmerkmal "InVerkehr-Bringen" strafrechtlich belangt werden kann.

    6.Einfuhr ist das Verbringen oder Verbringenlassen von Waren in den Geltungsbereich des Gesetzes. Schon  von der Tatbestandsdefinition her ist also die Anstiftung oder die mittelbare Täterschaft umfaßt.

    Die Einfuhr wird versucht, wenn der Täter so zur Tat ansetzt, dass eine unmittelbare Gefährdung des Rechtsguts bewirkt wird.  Bei Einfuhr mit dem Pkw ist dies regelmäßig erst dann der Fall, wenn sich der Täter der deutschen Staatsgrenze nähert.  Ausnahmsweise kann versuchte Einfuhr auch schon vorliegen, wenn der Täter im Ausland auf einem Autobahnstück einfährt, das nur noch zur deutschen Staatsgrenze führt.  Versuchte Einfuhr ist auch dann angenommen worden, wenn der Täter einen Zug im Ausland besteigt, der ohne weiteren Halt auf deutsches Staatsgebiet fährt.

    Vollendet ist die Einfuhr entweder mit dem Verbringen der Betäubungsmittel auf deutsches Staatsgebiet oder mit dem Passieren der deutschen Zollkontrolle im Ausland, je nachdem, was zeitlich vorher liegt.  Auch im Ausland kann die Strafbarkeit nach deutschem Recht so schon begründet werden, wenn zwischenstaatliche Vereinbarungen den Anwendungsbereich erweitern.

    Die Einfuhr ist von der Durchfuhr abzugrenzen: Während es bei der Einfuhr im Inland zu einer Verfügungsbefugnis des Täters kommt oder kommen soll, muss beides bei der Durchfuhr von vorneherein ausgeschlossen sein (§ 11 Abs.1 S.3). Einfuhr kann nach § 30 Abs.1 Nr.4 ein Verbrechen werden, die Durchfuhr nicht.

    In den Fällen der eigentlichen Einfuhr, bei denen die Betäubungsmittel im Inland bleiben sollen, ist die Vollendung des Tatbestands auch unabhängig vom Passieren einer Zollkontrolle.  Lediglich im Transitverkehr, bei der sog.  "uneigentlichen Einfuhr", deren Endziel ein Verbringen der Betäubungsmittel in das Ausland ist, wird die Tatvollendung hinausgeschoben bis zum Moment des Passierens einer Zollkontrolle, wenn der Täter davon ausging, eine solche überwinden zu müssen.

    Die Beendigung der Einfuhr tritt erst dann ein, wenn die Betäubungsmittel im Inland zur Ruhe gekommen sind, wenn sie z.B. also den Abnehmer im Inland erreicht haben und dort abgeladen wurden.

    Bei Transitreisenden im Luftverkehr kommt es darauf an, ob dem Täter im Inland tatsächlich die Möglichkeit zusteht, sich sein aufgegebenes Gepäck, in dem sich die Drogen befinden, herausgeben zu lassen.  Dies ist bei einem Aufenthalt von mehr als einer Stunde zwar häufig der Fall, musss aber vom Tatrichter besonders festgestellt werden (BGH NStZ 2003, 92).  Weiß der Täter dies und nimmt er diese Umstände billigend in Kauf, so verwirklicht er den Einfuhrtatbestand.  In ständiger Rechtsprechung nimmt der BGH allerdings an, dass die Einfuhr nur versucht ist, wenn das Gepäck von Anfang an wegen eines Hinweises an die Zollbehörden unter Zollaufsicht steht.  In diesen Fällen fehlt es an der tatsächlichen Erlangung einer Verfügungsbefugnis.

    7.Der Begriff der Herstellung ist in § 2 Abs.1 Nr. 4 BtMG definiert.  Bei dem Anbau von Betäubungsmitteln beginnt der Versuch der Herstellung erst mit dem Beginn der Ernte.

    8.Anbau ist die Aufzucht von Betäubungsmitteln mit landwirtschaftlichen Mitteln, also unter Ausnutzung der Wachstumskraft von Samen, Pflanzen und Erdreich.  Großlandwirtschaftliche Methoden sind nicht erforderlich, es genügt der Anbau z.B. in einem Blumentopf.  Anbau ist ein Dauerdelikt, der Versuch sehr selten.  Der Anbau endet mit dem Beginn der Ernte. Entgegen der früheren Annahme des Gesetzgebers ist der illegale Anbau von Schlafmohn und Cannabispflanzen im Inland weit verbreitet.  Beide Pflanzen gedeihen gut, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Aufzuchthilfen.  Sogar der Feldanbau der Hanfpflanze ist in Deutschland bekannt.

    9.  Erwerb ist lediglich der abgeleitete Erwerb, d.h. die Übernahme der tatsächlichen Sachherrschaft im Einverständnis mit dem Vorbesitzer. Auszugliedern ist hier die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft durch Unterschlagung, Raub  oder Diebstahl. Zu beachten ist, dass die Sachherrschaft tatsächlich übergehen muss.  Die Frage kann am leichtesten dadurch geklärt weren, dass man sich die Hilfsfrage stellt, ob der Täter ohne tatsächliche Einschreitensmöglichkeit des Vorbesitzers anderweitig über die Sache verfügen könnte.  Daran fehlt es bei dem, der lediglich von einem anderen Betäubungsmittel zum sofortigen Genuß oder zum Mitgenuß erhält.

    10.Sich-in-sonstiger-Weise-verschaffen bedeutet nach dem konsequenten Aufbau des Gesetzes lediglich Erwerb durch Fundunterschlagung, Diebstahl, Raub oder räuberische Erpressung.  Zu den genannten Delikten steht der Tatbestand in Tateinheit.

    11.Besitz (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG) ist ein Auffangtatbestand.  Er kommt nur dann zum Tragen, wenn die Besitzerlangungshandlung nicht nachweisbar ist oder, z.B. wegen Verjährung, nicht verfolgbar ist.  Der durch normalen Erwerb erlangte Besitz geht im Erwerb auf.

II. Die übrigen in § 29 Abs. 1 BtMG genannten Delikte:

    1.Herstellen einer ausgenommenen Zubereitung (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 BtMG) Der Herstellungsbegriff entspricht dem in § 2 Abs. 1 Nr. 4 BtMG.  Ausgenommene Zubereitungen sind in den Anlagen I - III zu  1 Abs. 1 BtMG jeweils mit dem Zusatz - “ausgenommen in Zubereitungen ....” bezeichnet.

    2.Durchfuhr von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 5 BtMG). Die Durchfuhr ist rechtlich etwas anderes als die Kombination von Ein- und Ausfuhr.  Sie ist in §11 Abs. 1 Satz 3 BtMG definiert.  Die Abgrenzung zur Einfuhr ist wegen § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG von ausschlaggebender Bedeutung.  Die Durchfuhr wird wie die Einfuhr versucht.  Sie ist erst dann vollendet, wenn die Betäubungsmittel das Inland wieder verlassen haben.

    3.Verschreiben von Betäubungmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 6 a BtMG). Es handelt sich um eine Privilegierung, da die Fahrlässigkeitstat nicht strafbar ist (§ 29 Abs. 4 BtMG).  Die Tatbestandsmerkmale werden erfüllt von einem Arzt, der ohne ausreichende ärztliche Begründung eine Verschreibung erteilt sowie von dem Nichtarzt. der verschreibt.  Allerdings kann beim Nichtarzt In-Verkehr-Bringen vorliegen.
    Die Verschreibung von Betäubungsmitteln ist nur dann zulässig, wenn sie das letzte mögliche Mittel zur Bekämpfung einer Erkrankung - auch Suchterkrankung - ist. Sie setzt voraus, dass der Arzt den Patienten untersucht hat und bei der Verschreibung auch alles in seiner Macht stehende tut, um Mißbräuche zu verhindern. Die Verschreibung ist grundsätzlich auch zur Substitution zulässig, wenn hierfür die Voraussetzungen für eine Entzugstherapie erst geschaffen werden können oder wenn durch die Substitution der Zeitraum bis zu einer Entzugstherapie überbrückt werden soll. Seit 1.5.2000 bedürfen Ärzte zur Durchführung der Substitutionsbehandlung einer besonderen Vorbildung.

    4.Verabreichung, Überlassung zum unmittelbaren Verbrauch (§ 29 Abs. 1 Nr. 6 b BtMG).

    Verabreichung ist das Zuführen von Betäubungsmitteln in den Körper eines anderen ohne dessen notwendige Mitwirkung. Überlassung zum unmittelbaren Verbrauch liegt dann vor, wenn ohne Übergang der tatsächlichen Sachherrschaft einem anderen die Möglichkeit zum Konsum geboten wird. Überlassung zum unmittelbaren Verbrauch liegt auch dann vor, wenn in einer Runde von Drogenabhängigen ein Betäubungsmittel kreist.  In diesem Fall ist jeder der Teilnehmer wegen gemeinschaftlicher Überlassung zum unmittelbaren Verbrauch strafbar (str., wie hier: OLG Stuttgart gegen AG Böblingen).

    5.Abgabe von Betäubungsmitteln in Apotheken (§ 29 Abs. 1 Nr.7 BtMG): Auch hierbei handelt es sich um einen Privilegierungstatbestand, da die Fahrlässigkeitstat nicht strafbar ist.  Allerdings kann bei fahrlässiger Eröffnung der Möglichkeit für einen Dritten, sich zu bedienen, strafbares In-Verkehr-Bringen vorliegen.

    6.Strafbare Werbung (§ 29 Abs. 1 Nr. 8 BtMG). Die Vorschrift betrifft lediglich den legalen Verkehr mit Betäubungsmitteln und ist als Wettbewerbsschutzvorschrift gedacht.  Die Anpreisung von Betäubungsmitteln, ihre Verherrlichung fällt nicht darunter.  Nicht strafbar nach dieser Vorschrift ist auch die Herausgabe eines Anleitungsbuches zur Verwendung oder zum Anbau von Betäubungsmitteln.

    7.Erschleichen von Verschreibungen (§ 29 Abs. 1 Nr. 9 BtMG): Bei Nr. 9 handelt es sich eigentlich um eine typische Vorbereitungs- oder Versuchshandlung, da ein Erfolg des Erschleichens nicht Tatbestandsvoraussetzung ist.  Zu beachten ist auch, dass diese Vorschrift gegenüber Nr. 1 subsidiär ist.  Wer also erschleicht und die erschlichene Verschreibung beliefert bekommt, ist wegen unbefugten Erwerbs von Betäubungsmitteln strafbar.

    8.Mitteilungen von Gelegenheit usw. (§ 29 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BtMG i.d.F. des Gesetzes vom 28.3.2000). Die Vorschrift erfaßt untergeordnete Teilnahmehandlungen, die hier zur eigenständigen Tatbestandsmäßigkeit erhoben werden.  Sie wird in der Praxis kaum angewandt mit Ausnahme der letzten Alternative.

    Die Alternative “Gewährung von Gelegenheit” hat durch das 3.BtMG-ÄnderungsG vom 28.3.2000 (BGBl. I 302) Aktualität erlangt. Dieses Gesetz legalisiert die bisher in Frankfurt und Hamburg bestehenden Drogenkonsum- räume  (je nach ideologischer Ausrichtung auch “Gesundheitsräume” oder “Drückräume” genannt) bei Vorliegen einer entsprechenden  Verordnung und Erlaubnis der obersten Landesbehörde gemäß § 10a BtMG.

    Dabei handelt es sich um die als täterschaftliche Tat strafbare Anstiftung zu einem straflosen Vorgang.  Der Begriff "Verleiten" ist wieder Begriff Anstiftung in  26 StGB auszulegen.  Nicht notwendig ist es, dass es sich bei dem Verleitenden um einen Erstkonsumenten handelt.

    9.Öffentliche Aufforderung zum Drogenkonsum (§ 29 Abs. 1 Nr. 12 BtMG). Einer häufig geäußerten Forderung der Strafverfolgung entspricht diese Vorschrift, welche Handlungen unterbinden soll, die den illegalen Konsum fördern.  Schwierig ist die Abgrenzung zu wissenschaftlichen oder pseudowissenschaftlichen Veröffentlichungen, die den Drogenkonsum verharmlosen.  Der Begriff "öffentlich" setzt eine Möglichkeit der Kenntnisnahme durch eine unbestimmt große Personengruppe voraus, während bei der dritten Alternative der Tatbestand schon mit der Übergabe des Manuskripts an den Drucker erfüllt sein kann.

    10.Bereitstellung von Geldmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 13 BtMG). Der Tatbestand ist eine zum täterschaftlichen Delikt aufgewertete Teilnahmehandlung. zu beachten ist, dass bei Eigennutz stets Handeltreiben vorliegt und dann dieser Tatbestand ausscheidet.  Durch das Bereitstellen muss unmittelbar der Handeltreibende gefördert werden.  Die mittelbare Förderung des Handeltreibenden durch unmittelbare Förderung des Konsumenten wird hiervon nicht erfaßt.  Nicht unter die Vorschrift fällt das Bereitstellen von Tatwerkzeugen.

    11.Drogenimitate (§ 29 Abs. 6 BtMG)

    Sofern Drogenimitate im konkreten Fall eine Rolle spielen, ist zu beachten, dass - abgesehen vom Fall des § 29 Abs. 6 das BtMG zwei weitere Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt:

    a.§ 29 Abs. 6 greift nur ein, wenn der Täter des Handeltreibens, der Veräußerung oder Abgabe weiß, dass er es mit Imitaten zu tun hat.

    b.Glaubt dagegen irrtümlich der Handeltreibende (nicht der Abgeber oder Veräußerer), dass der Stoff echt ist, so liegt vollendetes Handeltreiben vor, da es nur auf die subjektive Seite ankommt. Zu beachten ist gerade in diesem Zusammenhang, dass der Erwerb zum Weiterverkauf, die Einfuhr oder die Herstellung unselbständige Teilaspekte des Handeltreibens sein können.

    c.Glaubt der Täter der übrigen Straftaten - z.B. der Erwerber - irrtümlich, er habe es mit echtem Stoff zu tun, so begeht er einen Versuch der jeweiligen Straftat.

III.  Absehen von Strafe und Einstellung des Verfahrens

§ 29 Abs. 5 BtMG bringt nicht etwa Straffreiheit für die dort bezeichneten Tathandlungen.  Er eröffnet lediglich die Möglichkeiten des § 153b StPO und einer Verurteilung ohne Straffolgenausspruch.  Wenn also der Staatsanwalt nicht nach § 153b Abs. 1 StPO oder das Gericht bis zum Beginn der Hauptverhandlung mit Zustimmung des Staatsanwalts nach  153b Abs. 2 StPO nicht einstellt, kann das Gericht auch in den Fällen des § 29 Abs. 5 BtMG ohne weiteres zu einer Strafe verurteilen.

Es kann aber auch stattdessen im Urteil tenorieren:

      "N.N. ist schuldig eines vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln.

      von Strafe wird abgesehen.  Eingezogen werden 2,5 g Cannabis-Harzzubereitung.

      Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

      - §§ 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5,  33 BtMG -."

Eine solche Verurteilung ist nach dem BZRG nicht eintragungspflichtig und erscheint auch nicht im Führungszeugnis. Bei Jugendlichen und solchen Heranwachsenden, auf die gemäß § 105 JGG materielles Jugendstrafrecht Anwendung findet, ist die Vorschrift entsprechend anwendbar.  Wenn als Ergebnis der Hauptverhandlung nur Weisungen oder Zuchtmittel zu erwarten sind, kann von deren Verhängung abgesehen werden. Dem Sinn nach wird die Vorschrift nur auf Ersttäter angewendet, die aus Neugier handeln.  Allerdings ist die Anwendung bei anderen Personen nicht ausgeschlossen, in der Praxis jedoch auch nicht üblich.

Als geringe Menge werden Marihuana bis 5 g, Haschisch bis 3 g und LSD bis zu zwei “Trips" angesehen.  Bei Kokain und Heroin findet § 29 Abs. 5 BtMG in der Praxis Anwendung bei höchstens drei Konsumportionen 150 bzw. 30 mg).

Mit dem Gesetz zur Änderung des BtMG vom 9.9.1992 wurde eine weitere Einstellungsmöglichkeit bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 29 Abs. 5 BtMG in § 31a BtMG geschaffen.  Eine Einstellung ohne Zustimmung des Gerichts ist danach möglich, wenn die Voraussetzungen des § 29 Abs. 5 vorliegen und ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nicht besteht.  Das Gericht kann nach Anklageerhebung bis zur Urteilsverkündung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ebenfalls das Verfahren einstellen (§ 31 a Abs.2). Die unterschiedliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften bei  § 31 a BtMG war einer der Kritikpunkte in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.03.94. Das Verbot übermäßigen Strafens - hergeleitet aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - erfordert es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, in Fällen des gelegentlichen Umgangs mit Cannabisdrogen zum Eigenverbrauch in der Regel das Verfahren einzustellen.

IV. Qualifizierte Vergehenstatbestände (§ 29 Abs. 3 BtMG)

Zu beachten ist, dass es sich bei den Fällen des § 29 Abs. 3 BtMG um Vergehenstatbestände (§ 12 Abs. 3 StGB) handelt, und dass die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale bzw. deren Nichterfüllung die auch von § 243 StGB her bekannten Wirkungen (Regelwirkung, Analogiewirkung, Gegenschlußwirkung; vgl.  Dreher-Tröndle, Rdnr. 43ff vor § 46 StGB) auslöst.  Auf Jugendliche und solche Heranwachsende, die gem. § 105 JGG nach Jugendstrafrecht zu verurteilen sind, findet § 29 Abs. 3 BtMG keine Anwendung (BGH NJW 76, 1415), da § 18 JGG vorgeht.

    1.Gewerbsmäßigkeit liegt dann vor, wenn der Täter durch diese oder Handlungen gleicher Art sich eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einiger Intensität zu verschaffen beabsichtigt.  Nicht erforderlich ist, dass der Täter von diesen Handlungen leben will, dies ist jedoch stärkstes Indiz für die Gewerbsmäßigkeit.

    2.Gefährdung der Gesundheit mehrerer Menschen (§ 29 Abs.3 Nr. 2 BtMG) setzt voraus, dass mindestens zwei Menschen durch die Handlungen des Täters in die konkrete Gefahr (d.h. naheliegende Wahrscheinlichkeit) einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer Gesundheit gebracht wurden.  Der Täter muss die Gefahr mindestens bedingt vorsätzlich herbeiführen (BGHSt 26, 344).

V. Verbrechenstatbestände

§ 29a BtMG - einfache Verbrechen (Mindeststrafe 1 Jahr)

Diese Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität vom 15.7.1992 in das BtMG eingefügt.  Sie enthält Elemente des früheren § 29 Abs.3 BtMG, stuft die Verwirklichung der Tatbestände jedoch als Verbrechen mit einer Mindeststrafe von einem und einer Höchststrafe von 15 Jahren ein.

    1.Abgabe an Jugendliche und Kinder (§ 29 a Abs.1 Nr.1). Es handelt sich um eine Vorschrift des Jugendschutzes.  Sie ist auch dann anwendbar, wenn dem Jugendlichen der bloße Mitgenuß überlassen wird.  Irrtum über das Alter des Erwerbers oder des Konsumenten ist regelmäßig Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 StGB und führt zur Nichtanwendbarkeit des Tatbestandes.

    2.Nicht geringe Menge: Hierbei handelt es sich um die wichtigste Qualifikationsvorschrift des BtMG, ihrem Charakter nach ein abstraktes Gefährdungsdelikt.  Zur Festlegung des Begriffs "nicht geringe Menge" hat die Rechtsprechung zunächst klargestellt, dass die nicht geringe Menge des § 29 a nicht etwa dort beginnt, wo die geringe Menge des § 29 Abs. 5 endet.  Dazwischen muss nämlich für die Fälle des § 29 Abs. 1 noch eine sogenannte “Normalmenge”, liegen.

    Für die weitere Konkretisierung der nicht geringen Menge ist zunächst festzustellen, dass das Gesetz drei Kategorien von Straftätern im Bereich des illegalen Rauschgiftverkehrs sieht, nämlich den

    • Neugiertäter, der nach § 29 V erfaßt werden soll;
    • Konsumenten, auf den nur die Strafdrohung des  § 29 Abs.1 Anwendung finden soll;
    • Händler, der nach § 29 a strenger bestraft werden soll.

    Diesen "Tätertypen" sind die genannten drei Mengen - die geringe, die nicht geringe und diejenige zwischen beiden - zuzuordnen.  Hierfür gab es eine Reihe von Maßstäben, mit denen versucht wurde, die Grenze zwischen Konsument und Händler zu ziehen.  Erwähnenswert sind die verschiedenen Ansichten, die sich am Monatsvorrat des Konsumenten, an der Zahl der Konsumportionen, der objektiven Menge des Rauschgifts oder gar ihrem Wert orientierte.  Nach der Rechtsprechung des BGH ist bei sichergestellten Betäubungsmitteln von ihrem Anteil an reinen Wirkstoffen auszugehen.

    Die Rechtsprechung hat folgende Mengen als oberhalb des Grenzwertes (zwischen der Normalmenge und der nicht geringen) liegend betrachtet:

    Stoff                 Menge                                                Entscheidung / Fundstelle

        Amphetamin   10 gr. Amphetaminbase                      BGHSt 33, 169
        Cannabis         7,5 gr THC                                        BGH MDR 84, 954
        Heroin             1,5 gr. Heroinhydochlorid                  BGHSt 32, 162
        Khat               30 gr Katinon                                     BGH NStZ 2005, 219
        Kokain            5 gr. Kokainhydrochlorid                   BGHSt 33, 133
        LSD                300 Trips                                           BGHSt 35, 43
        MDA               50 gr. Base                                       LG Heidelberg DRsp-ROM 94, 227
        MDE               30 gr. Hydochlorid                             BGH MDR 97, 83
        MDMA           10 gr MDMA-Base                           NStZ 93, 444
        Methadon         3 gr. Methadonhydrochlorid              OLG Karlsruhe NJW 94, 3022
        Metamfetamin  30 gr                                                  BGH StV 2002, 258
        Methaqualon     60 gr LG Frankfurt                           StV 88, 344
        Methylaminorex 10 gr. Base (Ice)                              LG Köln NStZ 93, 444
        Morphin            4,5 gr Morphinchlorid                       BGHSt 35, 179
        Opium               6 gr. Morphinhydochlorid                 LG Köln NStZ 93, 549
        Psilocin              1,2 gr                                               BayObLGSt 2002, 32
        Psilocybin          1,2 gr                                               BayObLGSt 2002, 32

    Bei der Beurteilung von Mittätern ist zu differenzieren:

    Für die Tatbestände der Abgabe, Herstellung, Handeltreiben und Einfuhr wird zusammengerechnet.
    Bei Besitz ist auf die jeden Mittäter treffende Menge abzustellen.

§ 30 BtMG - schwere Verbrechen (Mindeststrafe 2 Jahre)

    1.Straftaten von Bandenmitgliedern (§ 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG): Eine Bande besteht aus mindestens drei Personen, die sich zu mehr als einer Straftat wenigstens locker verbunden haben. Der BGH hat in der Entscheidung des Großen Strafsenats vom 3.4.01 (StV 2001, 407) die Anforderungen hoch geschraubt und sieht eine Bande nur noch dann als solche an, wenn daran mindestens drei Personen beteiligt sind. Allerdings müssen diese nicht alle mit Täterwillen gehandelt haben.Es bedarf keiner ausdrücklichen Absprache, eine stillschweigende Einigung genügt.  Auch wenn an einer Straftat nur ein Bandenmitglied beteiligt ist, genügt dies im Gegensatz zur Situation bei § 244 StGB zur Tatbestandserfüllung (BGH NJW 1992, 59).

    2.Gewerbsmäßige Abgabe an Jugendliche (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG): In diesem Fall muss sich die Gewerbemäßigkeit speziell auf die Abgabe oder Verabreichung an Jugendliche beziehen.  Es reicht nicht etwa, wenn der Täter insgesamt gewerbsmäßig handelt und auch einmal einem Jugendlichen gegenüber abgibt.

    3.Verursachung des Todes eines Menschen (§ 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG): Leichtfertigkeit bedeutet in diesem Sinne mehr als gewöhnliche Fahrlässigkeit.  Leichtfertig handelt, wer sich in besonders leichtsinniger oder gleichgültiger weise über die Möglichkeiten der Todesfolge hinweggesetzt hat.  Der Tod muss im Sinne der Äquivalenztheorie herbeigeführt worden sein.  Mit fahrlässiger Tötung besteht Gesetzeskonkurrenz mit dem Ergebnis, dass die fahrlässige Tötung zurücktritt. Wegen der bewußten Selbstgefährdung des Drogenkonsumenten ist derjenige, der ihm Drogen verschafft hat, im Normalfall aber auch nicht wegen fahrlässiger Tötung strafbar.

    4.Einfuhr nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG): Vergleiche hierzu die Ausführungen zur Einfuhr unter I und zur nicht geringen Menge bei  29 a.

§ 30 a - besonders schwere Verbrechen (Mindeststrafe 5 Jahre)

Die mit dem Gesetz zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität vom 15.7.1992  eingefügte Vorschrift stellt eine Kombination der Verbrechen des  § 29a Abs.1 Nr.2 und  § 30 Abs. 1 Nr. 1 unter die erhöhte Mindeststrafandrohung von fünf Jahren Freiheitsstrafe.

    1. Bandenhandel mit nicht geringen Mengen (§ 30a Abs.1): Die Vorschrift kombiniert die Voraussetzungen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 und des § 30 Abs. 1 Nr. 1.

    2. Anstiftung von Jugendlichen und Kindern (§ 30 a Abs.2 Nr.1).Auch diese Vorschrift dient wie § 29a Abs. 1 Nr. 1 dem Jugendschutz.  "Bestimmen" im Sinne der Vorschrift ist gleichbedeutend mit dem in § 26 StGB gebrauchten Begriff.  Es genügt wenn der Täter den Entschluß bei der geschützten Person wachruft.  Ausreichend ist auch die Bestimmung zur Förderung der eigenen Tat, d.h. die Anstiftung zur Beihilfe an der vom Anstifter begangenen.

    3. Bewaffneter Handel (§ 30a Abs. 2 Nr. 2): Die an §§ 244, 250 StGB angelehnte Vorschrift trägt der  erhöhten Gefährlichkeit bewaffneter Täter Rechnung. Der Täter muss die tatsächliche Verfügungsgewalt über eine verwendungsfähige Waffe ausüben und sie bei der Tat in unmittelbarer räumlicher Nähe haben. Die gleichzeitige Gegenwart des Rauschgifts ist aber nicht erforderlich.

    Handelt es sich um eine Schußwaffe, so ist zwar die Verwendungsabsicht nicht erforderlich; die Waffe muss aber geladen sein. Schußwaffen sind alle, bei denen ein festes oder gasförmiges Geschoß die Abschußvorrichtung verlassen kann, also auch Gaspistolen. Reine Schreckschußwaffen fallen nicht unter den Schußwaffenbegriff.

    Handelt es sich um einen sonstigen Gegenstand, muss die Verwendungsabsicht nachgewiesen werden. Der Gegenstand  muss außerdem objektiv geeignet sein, nicht unerhebliche Verletzungen zu verursachen.

VI. Strafmilderung oder Absehen von Strafe (§ 31 BtMG)

Die im Gesetzgebungsverfahren 1981 heftig umstrittene Vorschrift hat sich in der Praxis gut bewährt.  Sie führte zur Aufdeckung zahlreicher, zum Teil weit zurückliegender Straftaten und zum Auseinanderbrechen festgefügter Banden.  Während Nr. 2 der Vorschrift kaum jemals praktisch wird, wird Nr. 1 sehr häufig angewendet.

Freiwillige Offenbarung bedeutet, dass der Täter seiner Vorstellung entsprechend aus eigenem Antrieb handelt.  Denkanstöße von außen beseitigen jedoch nicht die Freiwilligkeit.  Die Freiwilligkeit fehlt regelmäßig, wenn der Täter angesichts erdrückenden Beweismaterials zu einer bestimmten Tat ein Geständnis ablegt.  Hinweise von Verhörspersonen auf eine Tat und Denkanstöße in dieser Richtung lassen die Freiwilligkeit noch nicht entfallen.

Einen wesentlichen Beitrag liefert der Täter nur dann, wenn er der deutschen Strafverfolgung zugängliche Mittäter oder Gehilfen in gerichtsverwertbarer Weise bezeichnet.  Die Offenbarung muss gegenüber einer Behörde erfolgen.  Eine Offenbarung gegenüber später geständigen Mittätern reicht nicht.  Die Vorschrift ist zur Vermeidung von Mißbräuchen auch nicht anwendbar auf Taten, an denen der Täter nicht selbst beteiligt war.

Die Auswirkungen des  § 31 sind beachtlich:

    Im Normalfall eines Vergehens nach § 29 Abs.1 kann von Strafe abgesehen werden, d.h. es erfolgt eine Verurteilung ohne Strafausspruch.

    Bei den besonders schweren Fällen ist davon auszugehen, dass wegen des Hinzutretens der in § 31 BtMG genannten Umstände die Regelwirkung des § 29 Abs.3 nicht eintritt.  Es bleibt deshalb bei der Möglichkeit des Absehens von Strafe.

    Soweit ein Verbrechen nach § 30 vorliegt, muss wegen des Hinzutretens der in  31 genannten Umstände von einem minder schweren Fall ausgegangen werden ( 30 Abs.2). Die in  30 Abs.2 erwähnte Mindeststrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe kann nach  49 Abs.2 StGB weiter gemildert werden, so dass im Ergebnis auch Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von einem Monat möglich ist.

Die Auswirkungen des § 31 - nicht dessen Voraussetzungen - sind auch von Bedeutung für die Rechtsfolgen, die beim Überschreiten der Grenzen staatlicher Verbrechensprovokation (vgl. oben) eintreten können.

VII. Unerlaubter Verkehr mit Ausgangsstoffen

Um dem illegalen Drogenhandel besser begegnen zu können, wurde in einem eigenständigen Gesetz (Grundstoffüberwachungsgesetz vom 7.10.1994, BGBl. I, 2835) auch der Verkehr mit solchen Ausgangsstoffen unter Erlaubnisvorbehalt gestellt, die ausschließlich der Rauschgiftherstellung dienen, wie z.B. Essigsäureanhydrid.  Das Gesetz selbst ist dem BtMG nachgebildet. Der unerlaubte Verkehr mit den Ausgangsstoffen steht nach § 29 GÜG unter Strafe. Für gewerbs- und bandenmäßige Tatbegehung sind besonders schwere Fälle mit einer Strafandrohung bis zu 15 Jahren vorgesehen.

VIII. Konkurrenzen im BtMG

    Verbrechenstatbestände schließen die jeweils gleichlautenden Vergehenstatbestände auch dann aus, wenn es sich um besonders schwere Fälle handelt.

    Handlungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 6a und 7 (Ärzte und Apotheker) sind bei Erfüllung des objektiven Tatbestandes dieser Vorschriften nur nach ihnen strafbar.

    Ist ein Tatbestand des  § 29 Abs. 1 Nr. 1(Grunddelikte) erfüllt, so tritt demgegenüber ein Delikt nach § 29 Abs. 1 Nrn. 1 - 5, 6b, 8 - 11 zurück. Tateinheit ist aber möglich zwischen der Teilnahme an einem Delikt des § 29 Abs. 1 Nr. 1 und der Täterschaft bei einem der übrigen genannten Delikte.

    Innerhalb des  § 29 Abs.1 Nr. 1 nimmt das Handeltreiben eine Sonderstellung ein: In ihm kann jede andere Tätigkeit aufgehen mit der Folge, dass der Täter nur wegen Handeltreibens  strafbar ist. Eine Ausnahme gilt für die Einfuhr dann, wenn sie als Verbrechenstatbestand verwirklicht wurde. In diesem Fall besteht ausnahmsweise Tateinheit zum Handeltreiben, auch wenn dieses selbst ein Verbrechen ist.

    Auffangtatbestände (Besitz, Inverkehrbringen usw.) treten hinter speziellere Tatbestände zurück.

IX. Nebenstrafen, Einziehung und Verfall

1.Vermögensstrafe - § 30c

Die Vorschrift ist nach einer Entscheidung des  Bundesverfassungsgerichts vom 20.3.2002 (NJW 2002, 1779) verfassungswidrig; § 30c BtMG daher gegenwärtig gegenstandslos bis zum etwaigen Erlass einer neuen , verfassungskonformen Vorschrift.

2.Einziehung und Verfall

§ 33 BtMG ist deshalb nötig, weil die Betäubungsmittel selbst weder Tatwerkzeug nach § 74 StGB sind noch durch die Tat hervorgebracht sind. Besonders problematisch ist die Einziehung eines beim Täter des Handeltreibens gefundenen Geldbetrags:

  • Eine Einziehung nach § 74 StGB scheidet aus, weil das Geld weder durch
    • - die Tat hervorgebracht wurde - das wäre z.B. bei Falschgeld der Fall
    • - noch - wegen § 134 BGB - im Eigentum des Täters steht.
  • Die Einziehung des Wertersatzes nach §74c StGB scheidet aus, weil auch das Rauschgift wegen  § 134 BGB nicht dem Täter gehören konnte.
  • Es greift jedoch die Verfallerklärung nach § 73 StGB:
  • Beim Verfall sind seit Inkrafttreten des Gesetzes über die Bekämpfung der organisierten Kriminalität nicht mehr die dem Täter erwachsenen Kosten wie Einkaufspreise, Reisespesen usw. in Abzug zu bringen. Bei den gewerbsmäßig begangenen Vergehen und allen Verbrechenstatbeständen greift außerdem § 73d StGB ein: Der Verfall ist schon dann anzuordnen, wenn auch nur die äußeren Umstände die Annahme rechtfertigen, dass die sichergestellten Vermögenswerte strafbarer Herkunft sind; die "Beweislast" wird also in einem gewissen Sinne umgekehrt.  Allerdings muss im Hinblick auf die Unschuldsvermutung des Grundgesetzes auch bei dem erweiterten Verfall das Gericht die Überzeugung haben, dass die für verfallen zu erklärenden Vermögenswerte strafbarer Herkunft sind; nicht notwendig aber aus Betäubungsmitteldelikten stammen. Eine solche Überzeugung kann sich z.B. ergeben, wenn der Täter hohe Vermögenswerte, jedoch keinerlei legale Einkünfte hat. Ist der Erlös aus Rauschgift-Verkaufsgeschäften nicht mehr vorhanden und schweigt der Angeklagte hierzu, bleibt der Verbleib des Erlöses also unklar, so kann der Tatrichter für die Frage der Anordnung des Wertersatzverfalls grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Wegfall der Bereicherung nicht eingetreten ist (BGH NStZ 2005, 232).

3. Sicherung von Einziehung und Verfall

Für die vorläufige Sicherung der Vermögenswerte in der Zeit zwischen dem ersten Zugriff und der Rechtskraft des Urteils gelten die §§ 111b ff. StPO. Zu beachten ist dabei insbesondere, dass eine Beschlagnahme durch den Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft zur Sicherung von Einziehung und Verfall nach § 111 d StPO nur dann ein Verfügungsverbot mit sich bringt, wenn die zu sichernde Sache unmittelbar oder mittelbar aus der Straftat erlangt wurde, nicht aber wenn der Verfall des Wertersatzes anzuordnen ist. In anderen Fällen ist nur die Pfändung aufgrund Arrests durch den Beitreibungsbeamten der Justiz dahingehend wirksam. Eine sachlich unzutreffende Sicherstellung kann dazu führen, dass der Beschuldigte zwischenzeitlich wirksam anderweit über den sichergestellten Gegenstand verfügen darf.

Vermögenswerte, über die der Täter innerhalb des letzten Jahres unentgeltlich gegenüber Dritten oder innerhalb der letzten zwei Jahre zugunsten enger Verwandter verfügt hat, können im Wege der Anfechtung nach dem AnfG wieder der Staatskasse zugänglich gemacht werden.

D. Strafprozessuale Besonderheiten

Bei Straftaten im Rahmen der Organisierten Rauschgiftkriminalität sind folgende besonderen Vorschriften der StPO anwendbar:

Datenabgleich, § 98a
Überwachung des Fernmeldeverkehrs, § 100a
Abhören und Aufzeichnen des nichtöffentlich gesprochenen Worts, § 100c StPO
Einsatz Verdeckter Ermittler, § 110a
Haftgrund der Wiederholungsgefahr, § 112a
Vermögensbeschlagnahme, § 443

Ein Problem stellt in der Praxis die Feststellung des Mindestwirkstoffgehaltes dar. Ausgenommen die unter § 29 Abs. 5 einzustufenden Fälle verlangt die Rechtsprechung immer eine Feststellung des Mindestwirkstoffgehaltes durch die Gerichte. Die Feststellung der Rauschgiftqualität an sich  ist schon für die Abgrenzung von Versuch zu Vollendung, aber natürlich auch für die Strafzumessung und zur Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung notwendig. Fehlt eine Wirkstoffanalyse durch ein Gutachten, so muss das Gericht immer zugunsten des Täters von dem ihm günstigsten Sachverhalt ausgehen. Nähere Informationen hierzu stehen auf der Homepage des Bayerischen Obersten Landesgerichts.

E.Betäubungsmittelabhängige Straftäter

Für von Betäubungsmitteln abhängige Straftäter (zum Begriff der Abhängigkeit vgl.  A) schafft der siebte Abschnitt des Gesetzes Regelungen, die es den Strafverfolgungsbehörden erlauben, flexibel zu reagieren.  Voraussetzung ist grundsätzlich, dass Einzel- oder Gesamtfreiheitsstrafe bis zu 2 Jahren zu erwarten oder zu verbüßen ist (§ 35 Abs. 1, Abs. 2 BtMG). Zu beachten ist jedoch, dass die Regelung des § 64 StGB (EInweisung in eine Entziehungsanstalt) vorgeht, auch wenn die §§ 35 ff. BtMG eine spezieller auf Rauschgiftdelikte zugeschnittene Regelung enthalten.

Weitere Voraussetzung ist, dass die Tat oder der überwiegende Teil der Taten aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurden.  So ist die Anwendbarkeit des siebten Abschnittes nicht beschränkt auf Straftaten nach dem BtMG, auch andere Straftaten, z.B. Apothekeneinbruch, Raub zur Geschaffung von Geldmitteln, die dem Erwerb von Betäubungsmittel dienen, zählen hierher.  Unter diesen grundsätzlichen Voraussetzungen des siebten Abschnittes ergeben sich folgende Möglichkeiten:

Im Ermittlungsverfahren kann der Staatsanwalt gemäß § 37 Abs. 1 BtMG vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen, wenn der Beschuldigte nachweist, dass er sich wegen seiner Abhängigkeit seit mindestens drei Monaten einer Therapie unterzieht und wenn seine Resozialisierung zu erwarten ist.  Diese vorläufige Einstellung des Verfahrens, die der des § 153 a StPO ähnelt, mündet in eine endgültige Einstellung nach § 170 Abs.2 StPO, wenn das Verfahren nicht innerhalb von zwei Jahren fortgesetzt wird.  Eine Fortsetzung ist dann notwendig, wenn das Verhalten des Beschuldigten die in ihn gestellten Erwartungen nicht rechtfertigt.Im Zwischen- und Hauptverfahren kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft, ebenso wie der Staatsanwalt, das Verfahren vorläufig einstellen. Einer solchen vorläufigen Einstellung würde nach zwei Jahren eine solche nach § 206 a bzw. § 60 III StPO folgen, sofern keine Wiederaufnahme des Verfahrens geschah.  Kommt das Gericht im Urteil zur Verhängung einer Freiheitsstrafe, so ist Strafaussetzung zur Bewährung zu prüfen.  Die Strafaussetzung zur Bewährung im Urteil wird bei einem drogenabhängigen Straftäter häufig an der Notwendigkeit einer günstigen Sozialprognose (§§ 56 StGB,  21 JGG) scheitern.

Nach Verurteilung des Angeklagten zu Freiheits- oder Jugendstrafe kann der Staatsanwalt als Vollstreckungsbehörde (oder entsprechend der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter) die Vollstreckung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit entweder in einer Therapie befindet oder zusagt, sich einer Therapie zu unterziehen und gleichzeitig gewährleistet ist, dass er diese Therapie auch aufnehmen wird (§§ 35 Abs.1, 38 BtMG).  In solchen Fällen muss der Verurteilte regelmäßig Nachweise über die Fortführung der Therapie bringen (§ 35 Abs. 3 BtMG).  Bei Verstößen kann die Zurückstellung der Vollstreckung widerrufen werden (§ 35 Abs. 5, 5 BtMG), wogegen der Verurteilte des Entscheidung des Prozessgerichts erster Instanz herbeiführen kann.

Die Zurückstellung der Strafvollstreckung selbst ist für den Verurteilten mit dem Antrag nach § 23 EGGVG erzwingbar.  Allerdings ist wegen des der Staatsanwaltschaft eingeräumten Ermessensspielraumes ein solcher Antrag kaum aussichtsreich.  Hat der Verurteilte die Therapie durchgehalten, so muss die Therapiezeit auf die Strafe angerechnet werden, bis zwei Drittel der Strafzeit erledigt sind.  Das restliche Drittel kann zur Bewährung entsprechend § 57 StGB ausgesetzt werden.  Gegen sämtliche Entscheidungen ist die sofortige Beschwerde statthaft.

 

Verfahrensschema §§ 35ff BtMG:

        Staatsanwalt

kann im Ermittlungsverfahren (mit Zustimmung des Gerichts) von der Verfolgung absehen

- § 37 I 1 -, dann

- entweder Prozesshindernis nach 2 Jahren

- oder Fortsetzung nach § 37 I 3

        Gericht

kann im Zwischen- oder Hauptverfahren (mit Zustimmung des StA) vorläufig einstellen (§ 37 II)

dann:

- entweder Prozeßhindernis nach 2 Jahren

- oder Fortsetzung nach § 37 II, I 3         

    oder verurteilen zu

         Freiheitsstrafe mit Bewährung oder

        Freiheitsstrafe ohne Bewährung

        Nun kann die StA als Vollstreckungsbehörde

           die Vollstreckung zurückstellen, § 35 Abs. 1

            Widerruf nach § 35 IV, V

              erneute Zurückstellung möglich § 35 IV 3

            Bei erfolgreicher Therapie:

            Gericht muss, § 36 I oder kann, § 36 III

              - Therapiezeit auf Strafe anrechnen

              - Strafrest aussetzen § 36 III

              Widerruf nach § 56 f StGB möglich

           oder weiter vollstrecken

    Rechtsprechungshinweise:

    Eine Entscheidungsübersicht des Bayerischen Obersten Landesgerichts für die letzten 10 Jahre gibt es hier