Leseteufel Deutsch

Herrndorf Wolfgang

    tschick

Rowohlt, Berlin 2010

Precht

“tschick” ist Favorit für den Deutschen Buchpreis 2010, was dem Leseteufel den Glauben an die Kritikerwelt zurückgibt. Herrndorf ist mit diesem kleinen “roadmovie” mit zwei 14jährigen Außenseitern ein Meisterwerk gelungen, wie es in der deutschen Gegenwartsliteratur fast undenkbar erscheint.

Mit vordergründig leichter Hand lässt er Maik Klingenberg in der Ich-Form von seinen Ferienabenteuern mit tschick, dem Russland-Deutschen-Assi erzählen, in teils schnoddriger Jugendsprache, teils verschämt poetischen Passagen.

Die Beiden sind Klassenkameraden in Berlin: Maik, gleichermaßen unsichtbar für Mitschüler und Lehrer, auch für seine angebetete Tatjana, tschick (Tschichatschow) seit 4 Jahren in Deutschland, hat es von der Förderschule auf Maiks Gymnasium geschafft, erscheint aber meist betrunken zum Unterricht.

Maik lebt in einer Villa mit Pool, aber seine Mutter ist in der Entziehungsklinik, sein Vater mit seiner jungen Sekretärin unterwegs, Maik zu Ferienbeginn allein. Da lädt ihn tschick ein, mit ihm in einem gestohlenen Lada auf Spritztour zu gehen, “in die Walachei”, in der tschicks Großvater lebt.

Ohne Karte, ohne echten Plan fahren sie quer durch Ostdeutschland und erleben die denkwürdigsten Abenteuer, immer am Rande des Absurden schrammend.

Ihre sympathischsten Begegnungen sind mit anderen Außenseitern, so dass Maik feststellt, er sei immer gewarnt worden, dass fremde Menschen ihm Böses antun könnten, aber bisher habe er nur die gegenteilige Erfahrung gemacht.

Natürlich muss in einem deutschen Gegenwartsroman Homosexualität eine Rolle spielen, aber sie tut es hier eher dezent. Und so taumeln die beiden liebenswürdigen Antihelden schließlich dem Ende ihrer Geschichte entgegen, das nicht ganz geglückt ist, aber bei einem road movie auch schwer zu bewältigen. Und der Leseteufel lässt die modernen Tom Sawyer und Huck Finn Figuren mit Wehmut zurück.