Leseteufel Deutsch

Urban Simon

    Plan D

Schöffling&Co, Frankfurt 2011

Precht

Dies ist zwar Simon Urbans Romandebut, aber was Schreiben anbetrifft, ist er ein alter Hase. Geboren 1974, hat er Germanistik studiert, war am Literaturinstitut in Leipzig und verdient seine Brötchen als Werbetexter in Hamburg. Das alles ist nützlich zu wissen, um seinen exaltiert originellen Stil einordnen zu können.

Anfangs ist der Leseteufel von der Geschichte fasziniert. Da denkt sich einer die DDR ins Jahr 2011 fort, oberflächlich reformiert, mit Egon Krenz als Staatsratsvorsitzendem, Gysi als Außen- und Schily als Justizminister, während im deutschen Westen Lafontaine endlich Kanzler sein darf. Warum Urban seinen Roman Günter Schabowski widmet, wäre eine interessante Frage.

Der 85jährige ehemalige Krenz-Berater Hoffmann wird erhängt an der russischen Transit-Pipeline aufgefunden, hingerichtet im Stasistil, kurz vor Beginn der Verhandlungen mit Westdeutschland und der SU über die Transitgebühren für das russische Gas, die den ostdeutschen Politbetrieb mühsam am Leben halten.

Die Ermittlungen führt Martin Wegener, ein zynischer Kommissar der VOPO, desillusioniert, depressiv, immer noch seiner Ex-Geliebten nachtrauernd und ständig von feuchten Träumen geplagt. Sein einziger Halt ist sein verschwundener Mentor Josef Früchtl, dessen Kommentare ihm bei jeder Gelegenheit durch den Kopf spucken. In Urbans Danksagung taucht ein Josef Fitz auf, Zufall?

Große Aufregung, da der “Spiegel” den Fall aufgreift. Wegeners westdeutsches Gegenstück, Kommissar Brendel im fetten Mercedes, wird ihm zur Seite gestellt. Wegener verliert sich im Ermittlungsdschungel, bis er, sehr spät, erkennt, wer Brendel wirklich ist und Hoffmann wirklich war. Alles sehr mysteriös, aber völlig unspannend.

Die anfangs originellen Gags, wie das DDR-Handy Minsk oder der mit Frittenfett betriebene Trabi-Nachfolger Phobos, nutzen sich schnell ab. Urban reicht nie ein Vergleich, ein Bild, es müssen immer mindestens drei sein, wenn nicht gleich eine ganze Litanei : “... die Chefhöhle, die Dunkelkammer, den Räucherofen...” (S.30)

Plan D ist übrigens der Masterplan, mit dem Hoffmann eine Art glückliche Symbiose zwischen Kapitalismus und Sozialismus erreichen wollte, ein Plan, den er in Geheimtreffen mit Gysi in Kraft setzen wollte. O-Ton Urban: “Wissen Sie, was das Erstaunliche am Sozialismus ist? Der hat immer dort Konjunktur, wo er nicht praktiziert wird.” (S.219)

Insgesamt teilweise lohnende, aber harte literarische und politische Kost.