Leseteufel Deutsch

Wawerzinek Peter

    Rabenliebe

Galiani, Berlin 2010

Precht

Wawerzinek, Jg.54, hat für die ersten Kapitel dieses Romans den Ingeborg-Bachmann-Preis 2010 erhalten. Er schrieb dieses autobiographisch geprägte Buch mittels zweier Stipendien.

Der Autor schildert in monomanischer Intensität seine ersten Lebensjahre als verlassenes Kleinkind, dessen Mutter in den Westen flüchtete und ihren Säugling unversorgt zurückließ, worauf er eine Kette von Säuglings- und Kinderheimen erdulden musste und mehrere gut gemeinte Adoptionsversuche, bis sich ein Lehrerehepaar seiner annahm, was seiner Psyche auch nicht bekam.

Unter die in konzentrischen Kreisen erzählten Leiden dieses Kindes, das mit 4 Jahren noch nicht sprechen konnte und auch körperlich zurückgeblieben war, streut Wawerzinek alle Nachrichten über misshandelte und getötete Kinder, derer er habhaft werden konnte, und Kinderreime und -lieder. Dazu der Rabe als Dingsymbol seiner verzweifelten Suche nach Mutterliebe. Überhaupt sind die Vögel die einzigen Freunde dieses armen kleinen Jungen.

Dabei erzeugt Wawerzinek eine solch distanzlose Atmosphäre, dass der Leseteufel automatisch zurückweicht, denn so grenzenloses Leid, so entgrenzt dargeboten, erweckt Misstrauen. Auch andere Kinder haben unter lieblosen Verhältnissen und Adoption gelitten, der Leseteufel nicht ausgenommen, ohne sich einem Leserkreis damit aufzudrängen.

Schreiben als therapeutische Handlung mag vom medizinischen Standpunkt angeraten sein, vom literarischen ist sie nicht notwendigerweise erfolgreich, leider.