Leseteufel Deutsch

Chaplet Anne (Stephan Cora)

    Schneesterben

Kunstmann, München 2003

Precht

Dies ist der 5. Kriminalroman, den die Journalistin Cora Stephan unter diesem Pseudonym verfasst hat. Der Spiegel hat, wie dem Cover zu entnehmen ist, Chaplet als “Glücksfall für die deutsche Kriminalliteratur” gefeiert, was unter Kollegen verständlich ist. Sie erhielt auch den deutschen Krimipreis 2001. Ich nehme an, dass die Figur des Paul Bremer, der die verschiedenen Erzählstränge als eine Art Hobbydetektiv zusammenhält, schon in den ersten Romanen auftaucht, wahrscheinlich auch die naiv dümmliche junge Staatsanwältin Karen Stark aus Frankfurt, die als  Ermittlerin eine Beleidigung für ihren Berufsstand darstellt, vor allem für den Leseteufel, der real-existierende professionelle junge Staatsanwältinnen kennt. Vielleicht arbeitet Stephan da einen Minderwertigkeitskomplex auf.

Aber zurück zur Handlung: Sie spielt in einem Dorf namens Klein-Roda, in das sich Bremer (alter ego der Autorin) zurückgezogen hat, um in Ruhe seinen literarischen Ambitionen nachgehen zu können, wobei seine schöpferischen Ansätze immer wieder von dem täglichen Dorftratsch und -krach unterbrochen werden. Leider bleiben all die anderen Dorfbewohner, um deren natürlich schuldbeladene Vergangenheit es geht, merkwürdig blass, ich kann sie bis zum Ende nicht auseinanderhalten..

Im Nachwort betont Chaplet-Stephan, das sie auch für sich selbst ein idyllisches Klein-Roda gefunden hat, in dem es natürlich keine Verbrechen gibt. Auch im Roman wirken die kriminellen Exzesse, die es aufzuklären gilt, recht konstruiert in ihrer Brutalität. Nur eine Stelle kann den Leser anrühren, als Karen in einem Cafe sitzend die Menschen beobachtet und anders als sonst erkennt, dass sie “ihre jüngeren Versionen mit sich (trugen). Ihre übermalten Entwürfe”. Der Stil des Krimis zeigt solides Handwerk, bekannte sprachliche Versatzstücke: “Über seinen Kopf zog ein Schwarm Wildgänse gen Süden...” Und inhaltlich haben wir es mit einer Mischung aus Pilcher und Elizabeth George zu tun. Ehrlich gesagt, die Originale sind mir lieber.