Leseteufel Deutsch

Hansen Dörte

    Altes Land

Knaus, München 2015

Precht

Dörte Hansen (Jg. 1964) arbeitet als Journalistin und lebt wohl selbst im “Alten Land”, über das sie ihren ersten Roman geschrieben hat.

Mit ähnlich lakonischer Ironie wie Judith Schalansky in  “Der Hals der Giraffe” beschreibt Hansen die vom Untergang bedrohte dörfliche Welt der Eingesessenen einerseits und die von Hamburg über sie gekommenen Neubürger, die voll umweltbewegtem Impetus den Dörflern klarmachen wollen, wie Landleben geht.

Dahinter aber verbirgt sich ein zweites “Altes Land”, nämlich das der im Frühjahr 1945 aus Ostpreußen vertriebenen und hier untergekommenen “stinkenden Polacken”.

Die Hauptperson aus dieser Zeitebene ist Vera von Kamcke, das “Flüchtlingskind”,deren Mutter Hildegard hier den kriegsversehrten Karl samt Hof geheiratet hat, aber dann mit Zweitmann nach Hamburg gezogen ist und eine neue Familie gegründet hat

Zu dieser Vera, ihrer alten Tante, flüchtet sich Hildegards Enkelin Anne mit ihrem kleinen Sohn Leon aus Hamburg-Ottensen, da ihr Mann sie mit seiner Lektorin betrügt.

Zwischen Vera und Anne entwickelt sich ein zwar schwieriges, aber über den kleinen Leon doch positives Verhältnis. Vera gleicht einem Stifterschen Hagestolz, lebt vereinsamt im heruntergekommenen Haus.

Hansen arbeitet viel mit Dingsymbolen und Gleichnissen, ohne je rührselig zu werden. Auch das eingestreute Plattdeutsche sorgt für Distanz.

Dass Anne das alte Haus mit Energie renoviert, zeigt aber, wie auch Vera innerlich wieder Fassung gewinnt. Die zum Schutz vor dem Frost mit Wasser besprühten Apfelblüten, die nur im so vereisten Zustand überleben können, sind ein Bild für den Seelenzustand der vertriebenen Mutter von Vera, die auf der Flucht nicht nur all ihren Besitz, sondern auch ihren kleinen Sohn verloren hat.

Ein Roman wie aus der Zeit gefallen, auch über schwierige Mutter- Tochter-Beziehungen, aber vielleicht gerade deshalb sehr berührend.