Englischsprachige Literatur

Hughes Richard

Orkan über Jamaica

Dörlemann, Zürich 2013

Galbraith3

 Das englische Original dieses Romans erschien 1929 unter dem Titel “A High Wind in Jamaica” und wurde für diese Ausgabe neu übersetzt. Michael Walter gibt alle mit der Seefahrt verbundenen Fachausdrücke mit großer Detailtreue wieder, ob das ansonsten auch der Fall ist, kann der Leseteufel leider nicht beurteilen. Hughes´Sprache wirkt jedenfalls ziemlich herzlos, die Erzählweise sprunghaft.

Der britische Autor (1900 - 1976) schrieb diesen kleinen Abenteuerroman über einen folgenreichen Orkan auf Jamaica mit 29 Jahren, nachdem er die Gegend ausführlich bereist hatte, und wurde schnell berühmt. Er arbeitete als Journalist, Hörspiel- und Drehbuchautor.

Hughes verlegt seine exotische Geschichte in das Jahr 1860 und schildert Jamaica als verrottende, von den Weißen ziemlich verlassene Insel. Dann lernen wir die britische Familie Bas-Thornton kennen, die mit 5 Kindern auf einem heruntergewirtschafteten Gut lebt. Anfangs haben nur John, der älteste Sohn, und Emily (12) Namen, die anderen drei heißen “Krümel” und laufen den großen hinterdrein. Die Kinder führen ein freies, von Erwachsenen unbehelligtes Leben, bis ein Orkan ihr Zuhause zerstört. Die Eltern wollen ihren Kindern das raue Leben dort nicht weiter zumuten und schicken sie und zwei Kinder von Bekannten mit der “Clorinda” nach England zurück. 

Das Schiff wird von der Besatzung eines Segelschiffs recht unblutig gekapert, die Kinder vom feige fliehenden Kapitän der Clorinda für tot zurückgelassen. Piratenkapitän Jonsen und sein erster Maat Otto nehmen die Kinder freundlich auf und sie erobern sich Stück für Stück das Schiff. Der Leser erfährt allmählich, dass auch die Krümel menschliche Wesen sind, wobei der Autor bei Laura eher unsicher ist: “Mit ihren knapp 4 Jahren war sie zwar zweifellos ein Kind - und Kinder sind menschliche Wesen (wenn man den Begriff menschlich sehr weit fasst), - über die Babystufe aber noch nicht ganz hinaus...” (s. 143).

Hughes erzählt zum großen Teil aus der Sicht Emilys, die alles stoisch gleichgültig zu erleben scheint, ob sie sich von ihren Eltern trennen muss, sie und ein weiteres Mädchen einen gefesselten Kapitän erstechen, ihr Bruder John zu Tode stürzt und ähnlich erschütternde Begebenheiten sich ereignen: “Wieder versank ein Abschnitt ihres Lebens in der Vergangenheit und kristallisierte zu einem Mythos” (S. 232). 

Schließlich werden die Kinder “gerettet”, nach England verbracht und Emily ist Hauptzeugin im Prozess gegen die Piraten. Obwohl alle Kinder diese lieb gewonnen haben, liefert Emily Jonsen und Otto durch ihre Aussage dem Tod aus.

Im Vergleich zur heutigen Sicht von Kindheit, die in Watte gepackt und von psychischen Störungen bedroht erscheint, gönnt Hughes seinen Protagonisten ein völlig moralfreies, egozentrisches Heranwachsen.