Weite_Welt

Sigurdardottir Steinunn

Herzort

rowohlt, Hamburg 2001

Ernestam2

Steinunn Sigurdardottir, Jg 1950, ist schon viel herumgekommen und hat lange in Paris gelebt. Zur Zeit wohnt sie in Berlin-Kreuzberg.

Hier schreibt also jemand über seine Heimat Island aus großer Distanz, aber mit umso kritikloserer Liebe zum Land und all den Verwandten, die sie dort zurückgelassen hat.

Der Roman erschien 1995 und wurde in Island preisgekrönt.

Die junge Dame auf dem Umschlagfoto ist wohl die 15jährige Edda, eine der drei Hauptfiguren, die wie in einem Roadmovie von Reykjavik die Inselstraße 1 in südöstlicher Richtung fahren, bis zum “Herzort” der etwa 30jährigen Ich-Erzählerin Harpa, nämlich nach Djupivogur, einem Küstenort im Osten. Dritte im Bunde ist Heide, beste Freundin von Harpa und Fahrerin, gleichzeitig so etwas wie die Vermittlerin zwischen Harpa und ihrem drogensüchtigen Tochtermonster, das aus der Drogenszene in der Hauptstadt aufs Land gebracht werden soll in einem letzten Versuch, ihr Leben und damit gewissermaßen auch das Leben ihrer jugendlichen Mutter zu retten.

Diese hat aber noch eine geheime Agenda: In ständigem Zwiegespräch mit ihrer toten Mutter hadert sie mit ihrer ungewissen Herkunft, denn mit ihrem dunkelhäutigen exotischen Aussehen ist sie auf der Suche nach ihrem wirklichen Vater.

Harpas Gefühlsschwankungen sind ebenso groß wie die ihrer Junkie-Tochter und auch für den Leseteufel schwer erträglich, zumal häufig mit zumindest im Deutschen miserablen Gedichten aufgefüttert.

Zum Glück spielen aber die Landschaft und die ständigen Wetterumbrüche die Hauptrolle und werden liebevoll beschrieben. Für den Nicht-Isländer besonders packend die Szene, als die drei Frauen mit ihrem Auto in einen schwarzen Lavasandsturm geraten, gerade unterhalb des Vjatnajökull. Faszinierend auch, wie die Drei bei lange nicht gesehenen Verwandten einfallen und mit größter Selbstverständlichkeit willkommen sind.

Die Hauptperson Harpa ist nicht eben sympathisch, im Grunde ein genauso egoistisches Scheusal wie ihre missratene Tochter, aber alles, alles wird gut werden am “Herzort”.