Weite_Welt

Dicker Joel

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Piper, München 2013

Ernestam2

Joel Dicker ist ein Französisch-Schweizer Jungautor, der nach einem erfolgreichen Debut hier seinen zweiten Roman vorlegt, wie sein ebenfalls 30jähriger Held Marcus Goldmann, den wir beim Verfassen seines zweiten Romans begleiten. Bzw bei den Schwierigkeiten, die er damit hat. Denn er leidet unter einer Schreibblockade, aus der er sich zu seinem Mentor Harry Quebert in die Kleinstadt Aurora in Massachussetts flüchtet, um Rat und Hilfe zu bekommen. Quebert ist emeritierter Literaturprofessor, der mit “Der Grund allen Übels” weltberühmt wurde. Seine 31 Ratschläge, wie ein guter Roman zu schreiben sei, werden den einzelnen Kapiteln vorangestellt. Dicker hat auf die Konstruktion seines Romans unendliche Energie verwandt, wie bei einer Matrioschka-Puppe kommen immer neue Erzählebenen zutage, ein Vexier- und Versteckspiel, das ungeheuren Spaß macht.

Quebert lebt zurückgezogen in einem echten Schriftstellerhaus am Meer, bis auf seinem Grundstück die Leiche der 15jährigen Nola Kellergan entdeckt wird, die 1975 verschwunden ist. Dicker wechselt virtuos zwischen 2008 und 1975  und wir erfahren, wie Quebert sich in Nola verliebt hat und dass ihn bis heute diese Beziehung nicht loslässt.

Die einzig verlässliche Figur in diesem Verwirrspiel ist Inspektor Gahalowood, mit dem Marcus der Wahrheit auf der Spur ist, wofür er bis zur letzten Seite braucht.

Für einen 30jährigen Autor stellt der Roman eine Bravourleistung dar. Natürlich kann man einiges kritisieren; so scheint die Liebe hier nur in ihren verzerrtesten Formen auf, ganz als hätte Dicker selbst seine Probleme damit. Außerdem hat er mit Luther Caleb eine Figur geschaffen, die geradezu sadistisch gequält und schließlich ermordet wird, wie es überhaupt an Leichen nicht mangelt. Aber allein für die völlig sinnfreien Slapstick-Dialoge, die Marcus mit seiner Mutter am Telefon führt, lohnt sich die Lektüre.