Leseteufel Deutsch

Setzwein Bernhard

    Die Grüne Jungfer

Haymon, Innsbruck 2003

Precht

Diesmal schlägt Setzwein sein Hauptquartier sozusagen in  der “Grünen Jungfer” auf, dem Dorfgasthaus in Hlavanice, einem böhmisch-bayrischen Grenzort im exakten Mittelpunkt Europas.

Wie er in einer Vorbemerkung schreibt, sind “sämtliche Figuren aus der Luft gegriffen. Wie sie allerdings dorthin gelangen konnten, wüßte er auch nicht zu erklären.” Allein für diesen Satz verdiente Setzwein den Georg-Büchner-Preis.

Drahtzieher im Hintergrund ist der im Kommunismus mit einem Schreibverbot belegte Dichter und Revoluzzer Vancura, ein Stammgast in der “Jungfer”. Er philosophiert mit der Wirtin Bohumila vor sich hin und nach und nach lernen wir die anderen Dorfbewohner kennen und ihre Geschichte über die letzten 50 Jahre. Da ist Lovec, der jahrelang Berichte über Vancura an den Geheimdienst geliefert hat und auch jetzt, nach der Wende, nicht mehr davon loskommt. Oder der alte Kolousek, der von den Nazis als Zwangsarbeiter ins Reich verschleppt wurde und nach seiner Rückkehr im Haus von Deutschen wohnt. Er führt imaginäre Abwehrkämpfe gegen die Geister der Vertriebenen, die sich einer nach dem anderen bei ihm einlogieren.

Dazu kommt ein reicher Bauunternehmer aus dem Westen, der das verfallene Schloss von Hlavanice samt Areal über besagten Kolousek als Strohmann aufkauft, um eine riesige Hühnerfarm daraus zu machen. Er wiederum wird von dem schlitzohrigen jungen Bürgermeister hereingelegt.

So könnte der Leseteufel stundenlang weitererzählen. Endlich ein traurig-komischer, gelegentlich absurder Roman über die jüngste europäische Geschichte, der wirklich fasziniert. Manchmal fühlt man sich an “Jakob, der Lügner” von Jurek Becker erinnert. Unbedingt lesenswert!