Leseteufel Deutsch

Thelen Albert Vigoleis

    Die Insel des zweiten Gesichts

List/Ullstein, Berlin 2017

Precht

Selbst als Taschenbuch sind diese “angewandten Erinnerungen” ein Ziegelstein von fast 1000 Seiten und so hat der Autor (Jg. 1903) den Leseteufel auch 2 Wochen begleitet und in die Welt der deutschen Emigranten im Mallorca zwischen 1931 und 1936 eingeführt.

Thelen gilt als Geheimtipp, S. Lenz hielt ihn für den besten Autor des 20. Jh., aber über einige eingeweihte Leserkreise kam er mit diesem Roman nicht hinaus, lebte Zeit seines Lebens mit seiner Frau Beatrice in Armut oder bei wohlmeinenden Gönnern, bis er am Ende wieder in die deutsche Heimat am Niederrhein zurückkehrte, sogar von Johannes Rau das Bundesverdienstkreuz erhielt, was ihm aber auch nicht mehr zu Wohlstand verhalf.

Thelen ist ein völlig anarchischer, phantasievoller, sprachschöpferischer Dichter. Die meisten seiner Werke hat er wieder verbrannt oder sonstwie vernichtet oder verloren.

Sein Mallorca ist der Tummelplatz der schrägsten Typen, seine furchtbare Armut schildert er voll Vergnügen. Auch den Naziautoritäten begegnet er furcht- und respektlos, was natürlich im Nachhinein (1952 erschien das Buch) auch leicht zu bewerkstelligen ist.

Wenn man sich auf diese chaotischen, üppig-sinnlichen Schelmengeschichten einlässt, entführen sie einen in eine wundersame Welt der Überraschungen und glücklichen Fügungen. Also eine unzeitgemäße Taugenichtsgeschichte, die ja auch bei der Gruppe 47 mit ihrer Kahlschlagliteratur schlecht ankam.