Leseteufel Deutsch

Thome Stefan

    Grenzgang

Suhrkamp, Frankfurt 2009

Precht

Stephan Thome (Jg. 72) hat für diesen seinen Debütroman reichlich Lorbeeren bekommen. Er arbeitet darin wohl seine eigene Vergangenheit in der hessischen Provinz auf und versucht gleichzeitig, diesem eng umhegten Leben Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Er stellt in den Mittelpunkt seines Personentableaus die notorisch entschlussarme Kerstin Werner, ihren Sohn Daniel und den gescheiterten Uni-Professor, jetzt Gymnasiallehrer Thomas Weidmann. Sie tauchen in wechselnden Konstellationen jeweils im Sieben-Jahre-Rhythmus des Grenzgang-Spektakels auf, bei dem Bergenstadt sich mit Waldläufen, uniformiertem Tschingdarassabumm und natürlich großem Besäufnis feiert.

Um dem Erzählten die sonst fehlende Spannung zu verleihen, geht Thome natürlich nicht chronologisch vor, sondern, ein bisschen wie bei der “Frau des Zeitreisenden” springt er munter durch die Zeiten.

Der Leseteufel springt mäßig begeistert mit. Die Geschichte könnte nach 100 Seiten locker erzählt sein, wird aber auf schwergewichtige 450 aufgebläht.

Thome schreibt auch sehr bedächtig, ein bisschen altmodisch:”Kerstin....spürt die Wärme der Sonne angenehm an den nackten Fesseln” (S.9) Und diese 44jährige Kerstin quält sich mit Grübeln und Hadern durch ihre Welt, verlassen von ihrem ungetreuen Mann, angewidert von der Pflege ihrer dementen Mutter und gescheitert mit der ihres halbwüchsigen Sohnes.

Es ehrt Thome ja, dass er versucht, in diese Frauengestalt zu schlüpfen und ihren Gefühlen nachzuspüren, aber da ihr Kontrapunkt, Thomas Weidmann, sein Leben in ähnlichem Gefühlsknäuel verbringt, kommt dem Leseteufel der Verdacht, dass hier Thome eigentlich eine (seine?) Befindlichkeit auf zwei Figuren verteilt. Die anderen bleiben auch entsprechend blass.

Und er gönnt seinen Figuren auch kein happy ending, das gehört sich wohl nicht in der gehobenen deutschen Literatur.