Weite_Welt

de Winter Leon

Serenade

Diogenes, Zürich, 1996

Ernestam2

aus dem Holländischen.

Am Schluss dieser kleinen Erzählung erfährt der Leser, dass sie eine Serenade für de Winters Mutter sein soll, inhaltlich ähnlich wie Handkes “Wunschloses Unglück”, von der Sichtweise und Sprache her aber fast schwerelos, voller Charme.

Die Geschichte beginnt damit, dass bei einer Gallensteinoperation seiner 74jährigen Mutter  ein nicht mehr operabler Leberkrebs diagnostiziert wird. Die Ärzte geben der Mutter noch 3 Monate zum Leben. Der Sohn verheimlicht ihr den Befund, und sie erholt sich wieder völlig, nervt den Sohn weiter mit täglichen Anrufen, ihrer Weigerung, ins Altenheim zu ziehen, überrascht ihn andererseits mit plötzlichen unangekündigten Reisen und einem neuen Liebhaber, Fred.

De Winter erzählt mit sicherem Blick für das Tragisch-Komische nicht nur der Mutter, sondern auch seiner eigenen Existenz als Jingle-Komponist für Werbesendungen. Als die Mutter nach 2 Jahren spurlos verschwindet, macht er sich zusammen mit ihrem Liebhaber auf die Suche und entdeckt sie schließlich in Split, wo sie ihr ganzes Geld einem Betrüger gegeben hat, der verspricht, den Kriegsopfern dort zu helfen. Zurück in Amsterdam stirbt sie.

Erst nach ihrem Tod findet der Sohn heraus, welches Leben sie wirklich geführt hat, und wie sie als Jüdin dem Tod im 3. Reich entgangen ist.