Weite_Welt

Helgason Hallgrimur

Vom zweifelhaften Vergnügen, tot zu sein

Klett-Cotta, Stuttgart 2005

Ernestam2

Die isländische Originalausgabe dieses 600-Seiten-Romans erschien 2001 mit dem Titel ”Höfundur Islands”, also auf jeden Fall knapper und sicher auch weniger witzig als der deutsche Titel des Übersetzers Karl-Ludwig Wetzig, der für seine Arbeit einen Preis bekommen hat. Zu Recht, denn der Titel verführt zum sofortigen Lesen.

Und dieser dickleibige Roman ist voller Überraschungen. So beginnt er damit, dass die Hauptfigur, ein alter Mann, sich auf einer Wiese am Boden liegend vorfindet. Er wird von dem einsilbigen Bauern Holfur und seiner Familie in ihren Einödhof aufgenommen und findet nach und nach heraus, dass er eigentlich tot ist. Er sieht sich und seine Umgebung erfrischend unverkrampft, bissig. Bereitwillig beteiligt sich der Leser daran, die näheren Umstände dieses merkwürdigen Vorfalls herauszufinden: Der Greis war Islands bedeutendster Schriftsteller Grimsson und findet sich in einem seiner Romane wieder. Er hadert mit seinen Figuren und dem Schicksal, das er ihnen zugedacht hat, versucht, die Handlung umzuschreiben, wie sie ihm von seinem jetzigen Standpunkt besser erscheint.

Insbesondere beschäftigt ihn Eivis, die schöne Tochter des Bauern, die von diesem brutal vergewaltigt wird, wie Grimsson es ihr zugedacht hat. Die stärkste Szene des Buches ist für mich, als alle seine Frauengestalten auftauchen und ihn stumm verfluchen. Ansonsten gerät die Handlung aus den Fugen, mäandert durch Island und seine Geschichte wie die alten Islandsagas. Ich kann verstehen, dass dies den Isländern großen Spaß macht.

Die Hauptfigur soll wohl auch eine Abrechnung mit Halldor Laxness sein, was sich mir als nicht eingeweihtem Leser verschließt. “Konigin Loana” von Umberto Eco lässt grüßen.